Feige

In Online-Foren kann jeder anonym seine Meinung sagen. Leider.

    Oft herrscht im Netz ein rauer Umgangston. In Diskussionsforen und Kommentarspalten lästern viele User im Schutz der Anonymität über alles, was ihnen nicht passt. Besonders groß ist dieses Problem auf den führenden Nachrichtenseiten: bild.de, spiegel.de, stern.de und sueddeutsche.de. Sobald es dort um gewisse Reizthemen geht, müssen sich die Redakteure auf Beleidigungen, Hetzattacken und Nazivergleiche einstellen. Solche Kommentare lassen sie natürlich nicht auf ihre Seite. Ausnahmsweise werfen wir hier einen Blick in die Abgründe des Netzes und veröffentlichen aus dem Netz verbannte Kommentare.

    »Abschieben, diese Türkenbrut! bald geht es los! Drecksgesindel. Ab in den Knast mit dem islamischen Verbrechergesindel – und dann zügig zurück ins schöne Asien! War wohl mal wieder nix mit Integration!« (über zwei Jugendliche, die eine Bank überfallen haben sollen)

    »Für solche ›coolen‹ Messerstecher gibt es eigentlich nur zwei Alternativen: Giftspritze oder Gaskammer.« (über zwei jugendliche Gewaltverbrecher) »Wenn die Griechen meinen, dass wir das Nazivolk sind, dann soll Merkel sich ’ne Bombe nehmen und über Griechenland abwerfen. Dann gibt es kein Griechenland mehr.« (über die griechischen Staatsschulden)

    Meistgelesen diese Woche:

    »1,5 Mio. Hartz-IV-Empfänger sind unter 25. Das sind bei rund 360 Euro im Monat 540 Mio. Euro Ausgaben/Monat an faule, nichtsnutzige Schmarotzer. Oder glaubt hier jemand, dass ein 20-Jähriger keine Arbeit findet, wenn er denn will?« (über Hartz-IV-Empfänger)

    »Wenn das der kleine Österreicher mitbekommen hätte, was aus Deutschland geworden ist. Im Grabe würde er sich drehen.« (über Kriminalität in Deutschland)

    »Wann wird dieses Dummschwätzer-Rindvieh endlich aufgehängt? Ich mache es sogar kostenlos: Ihr müsst ihn mir nur liefern, am besten in einem Hermes-Paket. Wer arbeitende Menschen verhöhnt, hat seine Existenzberechtigung verwirkt!« (über einen Hartz-IV-Empfänger, der bekannt hatte, gar keine Arbeit zu suchen)

    »Vergleichen wir einmal die Hetzkampagne gegen Hartz-IV-Empfänger mit dem Dritten Reich und der Hetze von Goebbels gegen die Juden. So langsam bekomme ich Angst.«
    (über Guido Westerwelles Wort von der »spät-römischen Dekadenz«)

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    Ein Interview mit Daniel Böcking, Chefredaktion bild.de:

    Herr Böcking, bei welchen Themen rechnen Sie mit üblen Kommentaren?
    Daniel Böcking:
    Generell lassen wir die allermeisten Kommentare zu. Übel in Ihrem Sinne sind für uns krasse Beleidigungen, Diskriminierungen oder schlicht illegale Kommentare. Besonders aufmerksam sind wir da bei Themen wie Hartz IV, Arbeits-losigkeit und bestimmten Politikern. Grundsätzlich muss man aber bei jedem Thema, das polarisiert, auf extreme Äußerungen gefasst sein.

    Wie behält Ihre Redaktion den Überblick?
    Pro Tag kriegen wir 5000 bis 7000 Leserkommentare. Diese werden nicht direkt online gestellt, sondern vorher gesammelt und gelesen. Dabei durchlaufen sie ein Programm, das Wörter anzeigt, die auf unserer schwarzen Liste stehen. Wird so ein Wort gefunden, muss der Redakteur genauer hinschauen.

    Was für Wörter sind das?
    Schlagworte aus der Nazizeit wie »SS« oder »Hitler«. Aber auch Ausdrücke wie »Fuck you« und ähnliche Beleidigungen. Wir haben etwa 400 Wörter gelistet, mit verschiedenen Schreibweisen. Diese Liste ist jedoch keine definitive Ausschluss-Liste. Das Wort »Nazi« kann ja im entsprechenden Kontext durchaus Sinn haben. Dann wird der Kommentar natürlich nicht gelöscht.

    Werden auch Ihre Redakteure beleidigt? Stehen ihre Namen auf der Liste?

    Ja. Aber es geht uns nicht darum, diese Kommentare in jedem Fall rauszufiltern. Wenn jemand sagt: »Redakteur XY schreibt nicht gut, weil …« ist das in Ordnung. Wenn er aber schreibt: »Redakteur XY ist ein Arsch, und seine Adresse lautet …«, dann geht das nicht.

    Sind Sie beim Lesen der gesperrten Kommentare manchmal erschüttert, was für Abgründe sich da auftun?

    Solche Kommentare wirken extrem, aber wenn man täglich damit konfrontiert ist, lernt man damit umzugehen. Unsere Redaktion ist professionell genug, sich von diesen Leuten nicht die Laune verderben zu lassen.

    Fördert die Anonymität des Netzes solche Pöbeleien?

    Ich habe nicht das Gefühl, dass extreme Kommentare zunehmen. Zudem: Es kommen auch schlimme Leserbriefe per Post.

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    Illustration: Christoph Niemann