Es macht überhaupt nichts, wenn man Michael Haneke zum Interview treffen soll und eine halbe Stunde früher als abgemacht vor Ort ist. Denn der Filmemacher wohnt direkt über einem der schönsten Caféhäuser Wiens im 8. Bezirk, dort sitzt das Wiener Bürgertum, liest Zeitung und trinkt eine Mélange nach der anderen. Es sind die Menschen, von denen Hanekes Filme handeln, Menschen wie du und ich, Haneke würde sagen »halb nett, halb Arschloch«.
Die Wohnungstür öffnet er in Jeans und ledernen Schlappen, führt durchs Arbeitszimmer, vorbei an der goldenen Oscar-Statue (die er für sein Alters-Drama Liebe bekommen hat) – »mit der möchte ich bitte nicht fotografiert werden«, sagt er. Wir haben eine Stunde Zeit. Auf dem Tisch stehen eine Karaffe Wasser und drei Gläser, zwei sind leer, in einem sind Salzstäbchen, die wird der Regisseur im Laufe des Interviews auffuttern. Happy End heißt Hanekes neuer Film, eine Farce, keine Tragödie, das ist ihm wichtig, weil die Menschen im Westen der Tragödie nicht mehr würdig seien.
In Happy End seziert Haneke eine wohlhabende, bürgerliche Familie, die zwar manierlich zusammen zu Abend speist, aber ansonsten sehr lieblos miteinander umgeht. Schwindeleien, Betrug, Entfremdung, Weltekel – »Ich weiß, dass du niemanden liebst«, sagt die vierzehnjährige Tochter zu ihrem Vater.
Das Interview dreht sich um die Logik, in der das gebildete Bürgertum im alten Europa vor sich hinlebt. Es ist die Welt, in der Haneke lebt, die Welt der Zeitungsleser und Theatergänger, der Therapie- und Fremdgeher. Jede Interpretation seiner Filme sei ihm recht, sagt er, der Zuschauer habe immer Recht, aber vor allem aber sei sein Thema »unser Autismus und Empathiemangel auf allen Ebenen«. In der Familie wie im Beruf. »Gegenüber den Nächsten wie den Fremdesten.«
Das Ganze erinnert stark an die Romane von Michel Houllebecq, mit dem er sich übrigens mal in Paris getroffen hat. Man wollte eine gemeinsame Serie schreiben, am Ende wurde leider nichts draus. Haneke spricht über Fernsehserien, Game of Thrones, Breaking Bad, Sex and the City, kommt aber immer wieder auf die Themen zurück, die ihn seit Jahren umtreiben: das Internet, die Digitalisierung, Fake-News, unsere Illusion, informiert zu sein, nur weil wir den ganzen Tag im Netz unterwegs sind. Haneke erzählt, warum Steven Spielberg ihm mal Champagner geschickt hat, warum er Isabelle Huppert so verehrt und was er eigentlich so im Fernsehen anschaut, wenn er sich mal zerstreuen will.
Am Ende bleibt die Frage, ob er, der Meister des ungemütlichen Films, die Menschen eigentlich liebt oder nicht? Ein Journalist hat ihm mal als »Sado-Humanist« bezeichnet. Er und ein Sadist?
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