»Der Konflikt in Syrien ist eine Katastrophe, die eine noch furchtbarere mit sich bringt: Menschen fahren auf Booten übers Mittelmeer freiwillig in den Tod. Denke ich daran, bin ich verzweifelt, den Tränen nahe, und bringe keine Kraft für Pinselstriche auf. Und dann wieder macht mich dieser Krieg so wütend, dass ich nicht anders kann als zu zeichnen.
Ein Totenschädel – das ist das Gesicht des Todes. Die persönliche Geschichte jedes einzelnen Sterbenden kann ich gar nicht fassen. Ich sehe nur den Massenmord, verursacht durch das Militärregime und den religiösen Faschismus. Beide Übel sind gleich groß. Also habe ich einen Nagel für Assad und einen für den Islamischen Staat gezeichnet. Sie stecken in Kinn und Schläfe des Totenkopfs.
Mein Vater und mein Großvater waren beide Staatsmänner. Ich selbst mache seit vierzig Jahren politische Kunst. Auf meiner ersten Arbeit, die ich für eine linke libanesische Zeitschrift gemalt habe, läuft der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson verzweifelt aus einem Wald in Vietnam. Heute male ich nur noch Tod in Schwarz und Weiß. Ich male leblose Fische, Vögel und Lämmer, schöne, unschuldige Tiere, die den Tod weniger verdienen als Wölfe oder Löwen. Je länger die Gewalt in Syrien andauert, desto destruktiver wird meine Kunst. Die Vögel sind geköpft, die Fische mit Messern aufgespießt, die Lämmer mit Nägeln malträtiert. Diese Tiere, das sind die vielen unschuldigen Menschen, die in Syrien jeden Tag geopfert werden. Manchmal pinsele ich am Ende rotes Blut über meine Zeichnungen.«
Youssef Abdelke gehört zu den bedeutendsten Künstlern Syriens. Immer wieder wurde er eingesperrt, zuletzt 2013, nachdem er eine Petition gegen den Präsidenten Baschar al-Assad unterzeichnet hatte. Während Millionen von Menschen aus Syrien fliehen, lebt und arbeitet Abdelke weiter in der Hauptstadt Damaskus.