Über die Revolution

Eine Preisverleihung für die Medienelite Deutschlands: Champagner, Canapés und Eigenlob. Und diese Rede eines rebellischen Künstlers. Protokoll einer Performance.

Ich bin aber eh heute ganz lieb, weil ich so müde bin. Vielleicht brauche ich später noch ein bisschen Wasser, das wäre super nett. Älso worum es genau geht, weiß ich jetzt nicht so, aber ich bin halt ein Mensch, der noch an die totale Revolution glaubt, und das wird man mir auch nicht ausreden können und deshalb bin ich natürlich unheilbar, aber nicht krank. Und ich sehe das alles als Orakel, und die Zeit wird’s schon richten, man muss die Sachen einfach passieren lassen, und zwar rücksichtslos. Also es geht nicht darum, dass ich rücksichtslos bin oder irgendwelche Leute, sondern die Zeit ist es selber. Man muss nur abwarten, und dann wird alles sich so fügen, wie es sich zu fügen hat, und das ist natürlich immer revolutionär, besonders wenn wir dieser Revolution nichts in den Weg stellen.

Aufzuhalten ist sie eh nicht, es dauert dann halt nur länger und das ist einfach sehr langweilig, weil ja was Grundsätzliches passieren muss. Und das, was grundsätzlich passiert, fußt natürlich auf Begriffen wie Dilettantismus, Kindergeburtstag feiern, albern sein. Bei allen Großrevolutionen war es so, dass die Leute gespielt haben wie Kinder und auf eine Expedition gegangen sind, wo die Rückkehrchancen gleich null waren. Und bei mir ist es nicht anders, und auch diejenigen, denen ich gerne zugucke, das sind alles Leute, die einfach voranstürmen und irgendwas machen, um dann später rauszufinden, ob es sich gelohnt hat oder nicht, weil die Absicherung nach vorne und nach hinten bringt überhaupt nichts, und auch Nostalgie ist überhaupt nicht mehr angesagt. Wenn man was will, dann muss der Kristall ausschließlich in der Zukunft leuchten und Lichtbrechungen erzeugen und deshalb ist Nostalgie absolut eine Todsünde, das kann man ja privat irgendwie feiern, aber nur Dinge, die noch nicht ausgereizt sind, sind revolutionsfähig. Und mir wird ja immer vorgeworfen, ich würde hier so komische kleine Spielchen spielen, das tut man ja auch, was soll man denn sonst machen, aber ich glaube, dass fast noch nichts geklärt ist und dass es nur unbekannte Phänomene gibt und dass wir darauf achten sollten, dass wir eben nichts wissen und dass das Revolutionäre natürlich weder lehrbar noch lernbar ist und eine nostalgische Revolution, also der Rückgriff nach hinten, bringt null. Wir können ja alle Dinge abfeiern, äh, privat, die vor Jahren passiert sind, aber daraus darf man nie einen Kult machen, also Picasso ist wunderbar, aber er ist nur dann revolutionsfähig, wenn er ein anderer wird in zehn Jahren oder in fünf, und ich gehe davon aus und ich verlange das auch, dass der lebendige Künstler viel mehr in Erscheinung tritt. Im Moment sind wir immer noch in dem Stadium, dass wir die Toten zu hoch einschätzen. Ein guter Künstler ist immer ein Künstler, der tot ist, weil dann hat er nichts mehr zu labern, und das muss ich ändern und deshalb habe ich natürlich als Kind und als Tierbaby absolut das Recht, eine Revolution zu fordern, das ist ein Menschenrecht. Das sind ja Wörter, die man aus der Begriffswelt der heutigen Zeit herausgeschmissen hat, also Wörter wie Revolution sind ja schon tabu, weil die meisten entweder das nicht wollen oder daran nicht glauben und sie müssen daran ja nicht glauben, es wird ja eh passieren, und dann wird es die Leute wieder so dermaßen überraschen und dann werden sie wieder sagen, wir haben von nichts gewusst und es ist irgendwie irgendwas passiert und das hat uns überrannt. Aber das ist ja dann nicht das Problem der Revolution oder derjenigen, die daran beteiligt sind, und die Revolution der Zukunft wird überhaupt keine politischen Dimensionen mehr haben, vor allen Dingen dann, wenn sie eine Großrevolution ist. Ja, also eine nostalgische Minimalrevolution, dass man das Ganze wieder so an den Begriffen der Vergangenheit festmacht, was weiß ich, Kommunismus oder Stalinismus oder Soziales, Nazitum oder so, das wird natürlich wieder so einen ganz minimalen Bereich abdecken.

Aber über solche Sachen will man ja gar nicht mehr reden, das ist ja Nostalgie, das ist viel zu klein. Es geht ja um die Vorstellung, dass die Kunst die Macht übernimmt, nicht der Künstler in seiner Mickrigkeit. Nicht das, was ich will als Künstler, muss eine Rolle spielen, sondern die Kunst selber wird Räume erschaffen, und dort werden die Dinge dann passieren, die zu passieren haben, und dann werden auch Befehle kommen, die uns aber nicht belasten werden, weil die Kunst ist ja an unserm Wohlbefinden oder auch an dem Antiwohlbefinden überhaupt nicht interessiert. Sie wird uns einfach das machen lassen, was selbstverständlich in unserer Natur ist, ja. Es geht darum, den Instinkten wieder ihr Recht zu geben, also nicht irgendwelchen tierischen Instinkten, sondern den Instinkten der Sache, und das wird passieren, wenn wir uns und unsere Befindlichkeit in den Hintergrund stellen. Wir leben seit vierzig, fünfzig Jahren in einem Selbstverwirklichungsfanatismus, ja. Es geht eben nicht mehr darum, dass wir an Pyramiden arbeiten, die eventuell irgendwelche Wesen beherbergen, sondern es geht immer nur noch um unsere mickrige Vorstellung, wo stehen wir denn eigentlich, wie komme ich bei einer Sache weg. Das ist das Einzige, was noch zählt, ja. Und wenn ich bei einer Sache einigermaßen gut wegkomme, dann bin ich ja schon Gott, ja.

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Also wir leben in einem Land, wo das Mitläufertum bis zum Exzess gefeiert wird. Da bist du natürlich auch ruhig und stumm, weil du bist mit dir und deiner kleinen Welt beschäftigt und da hast du dir deine Nische eingerichtet und da kannst du dann deine Feste feiern, und daraus werden dann noch Gesetze formuliert, die dann für alle bindend sind, nicht, und wenn du eben dann nicht lange Haare hast oder nicht grüne oder wenn das und das nicht so ist, dann bist du ja schon wieder was anderes, dann bist du ja gar nicht mehr Mittelpunkt, dann bist du ja gar nicht mehr Chef deines Geschehens. Aber wir müssen wieder in der Lage sein, Chef zu sagen zu abstrakten Dingen. Kunst ist Chef, Kunst ist die Chefsache, ja, und ich bin so größenwahnsinnig zu behaupten, dass Kunst die einzige Alternative ist. Es ist nicht die Religion, es ist kein soziales Gefüge mehr, sondern die Selbstverständlichkeit der Revolution, die statuslos und vogelfrei sich nach vorne entwickeln wird, weil es keine andere Richtung gibt, und das kann nur die Kunst gewährleisten. Alles andere ist Nostalgie, alles andere ist Befindlichkeit. Es gibt überhaupt keine Sicherheiten mehr, und das ist gut so, und deshalb können wir einfach frei aufspielen: Hosen runter, Karten auf den Tisch, loslegen, loslabern, Unsinn reden, das ist ja wohl das Grundrecht eines Künstlers. Es wird aber gar nicht mehr gehandhabt, weil es nicht mehr gelehrt wird.

Heute wird gelehrt, dass man sich in Gremien einzufinden hat, wo einem dann gesagt wird, dass man Künstler ist und dies und jenes zu tun hätte. Das Tolle am Künstler ist aber, dass er ein Glücksritter ist, ein Spieler, wie in Las Vegas, einfach auf Rot setzen, und wenn Rot eben kommt, dann hat man Glück, und wenn Schwarz kommt, hat man halt Pech, aber das ist nicht so schlimm. Deshalb darf es auch keinen frustrierten Künstler geben, weil er spielt doch das Spiel. Kann ich alles nicht verstehen, weil, man legt doch los. Wenn ich das Nordkap suche, dann muss ich doch damit rechnen, dass ich verschüttgehe oder verschollen bin oder es nicht schaffe, aber das macht ja nichts, wenn ich es dann wenigstens anstrebe, ja. Aber das begreifen die Leute nicht, die wollen einem immer Hürden in den Weg setzen, immer ne Hürde, Hürde, Hürde, Hürde, es wird nie einfach mal losgelassen, akzeptiert, dass Dinge einen Fluss haben müssen, einfach nach vorne, wie ein Pottwal oder ein Hai, die kann ich auch nicht mehr zähmen. Und ich bin eben total Optimist, und deshalb darf man mir mit so Ängsten und äh, ähm, wie nennt man das, Bedenkenträgerei überhaupt nicht kommen, also da, da bin ich echt, echt die falsche Figur. Also mir zu sagen, das oder das geht nicht, das darf man nicht, das ist nicht erlaubt oder so, interessiert mich echt nicht, und ich möchte auch nicht, dass die Pseudowahnsinnigen mich kontaktieren.

Also auch Künstler, die meinen, sie seien noch wahnsinniger als ich und sie müssten mit mir deshalb riesige Projekte planen, ich bin eh immer wahnsinniger und ich brauch Pragmatisten, ich brauch Leute, die das konkretisieren, die das propagandistisch auf den Punkt bringen, Bücher schreiben, die ich dann nur noch signiere, als wären sie von mir geschrieben, ja, es ist doch völlig wurscht, mich interessiert das alles nicht mehr, ich hab die Zeit doch gar nicht mehr, ich bin 37 Jahre alt, ich will die Revolution erleben, deshalb bete ich sie ja auch an, sie muss in fünf Jahren stattfinden, ja. Der Reichstag wird die befindlichen Bedenkenträger hinauskatapultieren durch einen Unterdruck und diejenigen, die zu spät in diesem Reichstag sich aufhalten, die werden wie Figuren in Pompeji von der Lava der Revolution ausgehöhlte Wesen sein, die an den Außenmauern des Reichstages kleben, wie stumme Zeugen einer neuen Realität, ja. Und die Leute mögen glauben, dass das alles witzig ist, ist es ja auch. Das Beste ist immer der tödlichste Witz, ja, das ist immer der beste Witz von allen, wenn er schön tödlich ist, und dieser wird in dem Sinne tödlich sein, dass sich die Gesellschaft spalten wird. Es wird die demutslosen Mitläufer geben, die werden bei der nächsten Revolution überhaupt keine Rolle mehr spielen. Die suhlen sich in ihrer stinkenden Ohnmacht und werden dort einfach nur einen neuen Planeten schaffen, wo sie sich gegenseitig bekämpfen, und die werden überhaupt nicht mehr wahrnehmen, dass es auch den demutsvollen Mitläufer gibt, ja, der bin ich zum Beispiel.

Ich glaube ja total an die Demut. Ich bin auch Mitläufer, wir sind alle Mitläufer, aber das macht nichts, wenn man Demut hat, nur die Kunst ist kein Mitläufer. Jeder Künstler ist Mitläufer, macht aber nichts. Die Kunst ist frei, der Künstler ist es nicht. Ich atme ja, ich muss verdauen, deshalb kann ich nicht frei sein. Ich bin viel zu sehr mit diesen Nebenbeschäftigungen beschäftigt, als dass ich frei denken könnte. Wir reden immer über Gefühle, dabei haben wir die schon vor Jahrtausenden abgeschafft, die arbeiten selbst in Bergwerken, wo wir unsere Seelen hineingelagert haben. Wir müssen ja erst mal die Seelen wieder locken, indem wir attraktiv werden für die Seelen, die wir vor 3000 bis 4000 Jahren weggelagert haben, weil wir uns so toll fanden. Wir stehen eben nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Natur braucht uns nicht, das ist gut so, ja. Und deshalb diese ganzen Fragestellungen mit Klima und so, das wird sich schon alles selbst regeln. Da brauchen wir gar nicht so sehr das Maul aufzumachen, sondern das sind alles sich selbst regelnde Maschinen, Energie, die von selbst sich ausspielt, wie ein Naturroulette. Wir leben in einer sehr günstigen Zeit, weil wir hoch revolutionsfähig sind, ohne es zu merken. Es wird einen Paradigmenwechsel der absoluten Superlative geben und ich will das noch erleben und deshalb darf ich weder sterben, noch dürfen die Bedenkenträger das Regime übernehmen, und die sind natürlich im Moment an der Macht, aber das wird nicht mehr lange dauern, weil sie sich selbst ausschalten. Und ich bin ein ganz großer Verfechter der Antirealität.

Ich bin an Realität absolut nullkommanull interessiert, also mit realen Problemen, äh, beschäftigt sich, äh, die neue Großrevolution nicht. Die Großrevolution kommt nicht von der Straße. Also Abbild der Straße oder einer Realität, die wir vorgaukeln, wird es nicht sein, sondern die Gegenwelt wird diesen Unterdruck erzeugen, ja. Das Parlament wird sich selbst befreien, indem es in Demut und aus freien Stücken zu uns kommen und sagen wird: Wir kennen keine andere Alternative als Dichtung und Kunst. Übernehme du die Macht, wir übergeben sie dir. Die Gesellschaft wird sich so formieren, die Gesellschaft wird sagen: Danke, wir haben alles andere ausprobiert, jetzt ist der Weg frei für die Kunst, sie wird diese heiligen Hallen ausfüllen, und es wird natürliche, klare, eindeutige, präzise Befehle geben, die eine völlige Veränderung hervorrufen, die wir natürlich nicht kennen, weil es so revolutionär ist, und jede Revolution ist eine große Überraschung, ja. Und ich kann es ja nur so sagen, ich bin halt ein demütiger Mitläufer und kann das nur so formulieren, wie es sein wird. Die Frage ist, wird es fünf Jahre dauern, zehn, 15 oder 20. Es wird in diesem Land passieren, das ist ziemlich sicher. Wir denken alle, das ist ganz toll hier in diesem Land. Das ist alles natürlich absoluter Scheiß, und ich habe das Recht dazu, das zu sagen, weil ich jetzt lebe, ja. Und ich lebe hier seit 37 Jahren, und ich finde es Scheiße, ja. Und ich habe das Recht, und ich glaube an die totale Veränderung, und wenn man dann antidemokratisch ist, ja gut, was soll’s. Ich bin halt paradiesisch oder utopisch, ich will das so nicht, ja, und ich habe das Recht, das so zu behaupten, und ich habe auch das Recht, dass es sich ändert, das ist nun mal so. Vieles ist okay, aber es kann alles viel besser sein, ja. Die beste aller schlechten Lösungen ist uninteressant. Ich bin nur an der besten von allen besten Lösungen interessiert.

Ich will die beste Currywurst essen, ja, und heutzutage wird an jeder Ecke Scheiße angeboten, und die Leute wollen, dass man das auch noch alles durchprobiert, aber dann bin ich mit Probieren beschäftigt, mein Leben lang, und ich komme na-türlich zu nichts mehr, zu keiner ultimativen, demütigen Haltung mehr, dass ich sage, vielleicht gibt es ein Haus, wie eine Pyramide, da liegt irgendwas drin, was mit mir nichts zu tun hat. Warum werden die Pyramiden geöffnet für Touristen, das finde ich widerlich, wie die Verbotene Stadt in China. Entweder der Kaiser kommt zurück und beherbergt das Teil, oder es wird glatt gemacht, rattenscharf klargemacht. Wir leben in einem Tourismuswahn, ja. Alle müssen immer alles erleben. Lasst doch den Mount Everest sich selbst erleben, der braucht mich nicht, dass ich da noch auf den Gipfel stürme, wie alle anderen weltgleich geschalteten Blökfratzen, immer gleich. Das kann ich doch alles wo ganz anders erleben, indem ich es sich selbst erleben lasse, ja. Das Meer wird sich am besten regenerieren, wenn wir nicht mehr sind. Ach, jetzt bin ich auch fertig, okay. Also ich glaub einhundertmilliardenprozentig an die Kunst. Sorry, tut mir leid, und zwar nicht als Handlanger von irgendwelchen Reichen, Berühmten, Wichtigen, sondern die Kunst selber ist das Wichtigste, und es ist so wichtig, dass es wieder unwichtig wird, weil es selbstverständlich wird, und wenn wir wieder zuhören lernen, ja, wenn wir unsere Seelen zuhören lassen, dann werden die Befehle wie Zucker, ja, dann wird das wie eine Schmusekatze uns berühren und uns so liebevoll einnehmen und uns wieder zu Menschen machen.

Jetzt sind wir doch nur so kleine befindliche Maschinchen, jeder ein kleiner Diktator, ach, wie langweilig, und aus diesen ganzen Kleinstdiktatoren, die ja momentan dieses Land beherrschen, wird sich nicht der eine große rekrutieren, sondern der wird, wenn man es denn will, auf einem Nebenschauplatz sich entwickeln. Aber dafür ist man ja nicht. Ich bin ja für die Diktatur der Kunst, ja, und das ist ja kein Mensch, sondern das ist einfach eine Macht und ja, soll ich, ja, ich weiß nicht, ich kann nicht, ich hab kein Schlusswort, Scheiße. (Applaus)