Haben Sie zu Hause einen alten Lego-Bausatz oder ein frühes iPhone, noch originalverpackt, weil nie benutzt oder doppelt geschenkt? Ich würde die Ihnen gern abkaufen. Nimmt doch nur Platz weg und verstaubt, sagen wir 100 Euro? Meine Mail-Adresse ist marc.baumann@sz-magazin.de, melden Sie sich – und bitte lesen Sie jetzt nicht weiter.
Man bekommt von Sammlern nämlich geschätzt 3000 Euro für ein iPhone der ersten oder zweiten Generation, so noch eingeschweißt verpackt. Der Star Wars-Todesstern-Bausatz von Lego aus dem Jahr 2005 ist, falls ungeöffnet, heute 2500 Euro wert, verkauft wurde er damals für 250 Euro. Für einen Harry Potter-Bausatz aus demselben Jahr beträgt die Rendite sogar 1200 Prozent, errechnete das Handelsblatt: Der einstige Ladenpreis von 29,90 Euro verdreizehnfachte sich auf 400 Euro. Welche Aktie schafft das?
Für ein »fabrikversiegeltes« Super Mario Bros.-Videospiel von 1987 wurde auf Ebay ein Sofortkaufpreis von 125 000 Dollar verlangt. Den zahlte niemand, aber immerhin wurde ein solches Spiel bereits für 2000 Euro ersteigert. Eine »unbespielte Puppe« von Käthe Kruse, Schildkröt oder Mattel bringt schon mal 40 000 Euro. Und für originalverpackte »Nike Air Yeezy 2 Red October«-Turnschuhe aus einer limitierten Edition gab es ein Gebot von zwölf Millionen Euro.
Ich erkenne ein Muster: Kauf dir von deinem Lieblingsprodukt noch ein zweites, lagere es in der Originalpackung einige Jahre oder Jahrzehnte trocken und kühl im Keller und verdiene daran dann so viel, dass du dir den kaviargefüllten Bauch hältst vor Lachen. Mal nachdenken: Was zeichnet die genannten Produkte aus? Was macht sie so wertvoll und begehrt? Und für wen und warum? Aus den Antworten müsste man mit etwas Expertenhilfe doch auf ein Produkt kommen, das ich dann vorausschauend kaufe (Sie als Leser bitte nicht, das senkt den Wert).
Die erste, naheliegende Regel lautet: Ein künftiges Sammlerstück muss selten sein. Etwa der letzte nicht zerfledderte Superman-Comic von 1938 oder eines der wenigen originalverpackten alten iPhones. Noch besser wäre ein Unikat, wie afrikanische Keramik der Künstlerin Magdalena Odundo, für rund 60 000 Euro gehandelt. Regel zwei: Das Produkt muss unbenutzt sein. Regel drei: »Es sollte das Erste seiner Art sein, das macht es begehrter«, sagt Angelika Nollert, die Leiterin der größten Designsammlung der Welt, bekannt als »Die Neue Sammlung« in München: »Das erste Smartphone, die erste Schreibmaschine – das zieht.« Und, Regel vier, »eine Epochen prägende Innovation« soll es sein. Der erste Nasenhaarschneider fasziniert weniger als die erste Mondrakete.
Zum Sammlerstück werden auch missglückte Produkte – wie der C65, der niemals in Serie gegangene Nachfolger des Heimcomputer-Klassikers C64. Oder die Briefmarke »Gelber Treskilling«, dank Farbfehler 2010 für mehr als 2,8 Million Franken versteigert. An sich sinken Briefmarkensammlungen aber im Wert, Philatelie gilt als aussterbendes Hobby. Regel fünf daher: Trends und Lebensgefühle vorausahnen. 2019 sind Bauhaus-Stühle von Marcel Breuer begehrt und bis zu 150 000 Euro wert – Bauhaus feiert sein 100. Jubiläum, dessen Rückbesinnung aufs Handwerk und die umkämpfte Weimarer Demokratie wirken aktuell. Letzte Regel: Bedenken, wer mein Produkt mal kaufen soll – eher reiche Kunsthistoriker oder neureiche Nerds?
Und was lege ich mir nun in den Keller? Was ist die Schnittmenge all dieser Begehrlichkeitsgradmesser? Hier meine Idee (muss unter uns bleiben): Ich besorge mir eine »Google Glass«. Die erste (vgl. iPhone) Datenbrille ist gefloppt (vgl. C65) und steht für eine neue Ära (vgl. Breuer-Stuhl), die nach dem Handy. »Innovativ und gut designt«, lobt Frau Nollert. Original eingeschweißt gibt es eine Google Glass bei Ebay für 1600 Euro. Mit etwas Glück werden sie die Tech-Millionäre des Jahres 2040 um jeden Preis haben wollen. Dann bin ich bereit. Sofern… könnte mir jemand 1600 Euro überweisen?