Gute Laune, ganz einfach: Reicht schon, den eigenen Kindern heimlich beim Spielen in ihrer Gespensterhöhle unterm Kaufmannsladen zuzuschauen. Oder auf dem Weg zur Arbeit an den gelblich blühenden Bäumen des Münchner Isarufers vorbeizufahren. Und abends dann plötzlich ein Stück von Thelonious Monk zu hören, das mit dem humpelnden Basslauf, das von irgendwoher in den Hinterhof schallt. Das waren heute die drei Momente guter Laune.
Gute Laune, hoch kompliziert. Wie entsteht sie? Und wo? Warum ist sie so kurzlebig? Wie kann man ihr auf die Sprünge helfen? Und kann man gute Laune per se definieren, ohne einfach nur drei eigene gut gelaunte Momente nachzuerzählen? Der Neurowissenschaftler Thomas Rädler seufzt, der Soziologieprofessor Alfred Bellebaum winkt ab, »viel zu kompliziert«. Und Immanuel Kant schreibt, die Launen seien wie das Glück, ein inhaltsleerer, unbestimmter und deshalb unbrauchbarer Begriff. Nur Andrea Abele-Brehm hat aus dem Stand eine Definition parat: »Gute Laune heißt, ich bin mit mir im Einklang, ohne groß darüber nachzudenken.« Gute Laune sei wie die meisten Stimmungen ein »Hintergrundphänomen«. Damit umschreibt die Erlanger Professorin für Sozialpsychologie die Tatsache, dass man über aktuelle Stimmungen nur dann nachdenkt, »wenn ein kritischer Punkt über- oder unterschritten wird, wie im intensiven Glückserlebnis oder eben im Unglück«.
Alfred Bellebaum, der Leiter des »Instituts für Glücksforschung« im niederländischen Vallendar, sagt, das mit der guten Laune sei kaum zu beantworten. Aber zwei Dinge hätten die Menschen seit der Antike immer gleich gesehen: Der Mensch strebe nach Glück. Und die gute Laune sei leider immer nur von kurzer Dauer. »Das finden Sie schon im Buch Kohelet des Alten Testaments: ›Ich dachte mir: Auf, versuch es mit der Freude, genieß das Glück! Aber auch das ist Windhauch.‹« Thomas Rädler ist Neurowissenschaftler und Psychiater am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf. Über seine Stimme legt sich ein Schleier, wenn er über gute Laune redet, fast so als hätte er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen: »Wir wissen furchtbar viel über Depressionen. Aber gute Laune? Die genießen wir. Fertig. Sie ist viel schwerer zu induzieren als die negativen Gefühle. Für Trauer, Ekel, Zorn gibt es klare Rahmenbedingungen. Ich kann Ihnen Bilder zeigen, die Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in Wut versetzen würden. Aber ich weiß nicht, was Ihnen gute Laune bereitet. Wir lernen neurobiologisch gerade erst, was es damit auf sich hat.«
Seit 15 Jahren boomt immerhin die Glücksforschung – wovon im wissenschaftlichen Sinne auch die gute Laune profitiert. Tonangebend sind dabei die Neurowissenschaftler, die unsere Launen in chemische Signale rückübersetzen und allerorten nach Botenstoffen und Gefühlshormonen suchen: Der US-Biologe Lee Berk wies nach, dass in Freudentränen viel mehr natürliche Killerzellen und T-Helferzellen vorhanden sind als in Tränen der Trauer und des Schmerzes. Richtig gute Laune stärkt also das Immunsystem. Der New Yorker Forscher Arthur Stone fand im Nasenschleim von Männern, die häufig lachen, so viel abwehrstärkendes Immunglobulin, dass er sofort einen Aufsatz veröffentlichte. Wissenschaftler am Institut für Musikpädagogik der Universität Frankfurt verglichen Speichelproben von Chorsängern, die gerade das Requiem von Mozart geübt hatten, mit der Spucke von Menschen, die das Requiem nur gehört hatten. Die Sänger fühlten sich nicht nur subjektiv besser und frischer als die Zuhörer, ihr Speichel enthielt auch mehr Immunglobulin A, und weniger Cortisol, was ein Stresshormon ist. Singen macht also gute Laune.
Viele Neurowissenschaftler, die sich mit unseren Launen beschäftigen, reden vom Gehirn wie von einem hauseigenen Apothekerschrank, bei dem man nur die richtigen Depots wieder auffüllen müsse. Und die verschiedenen Hormone kriegen von ihnen Rollen auf den Leib geschneidert, plumper als jeder Bad-guy-good-guy-Plot in einem indischen B-Movie. Fluoxetin? Hebt die Laune und macht kontaktfreudig. Melatonin? Extremer bad guy; tritt nur im Dunkeln auf und zieht alle runter. In solch neurobiologischem Positivismus ist kein Platz mehr für ein Ich, einen freien Willen. Es gibt nur noch Hormone, physikalische Aktivitätsmuster und chemische Prozesse, die an der Oberfläche eben sichtbar werden durch unsere Launen. So hängt der Mensch an seinen neuronalen Schaltungen wie eine Marionette an den Fäden eines launischen Puppenspielers.
Die Pharmaindustrie hat sich diese Sicht längst zu Eigen gemacht und drückt mit aller Macht Lifestyle-Medikamente auf den Markt, die eher Lebensgewohnheiten als Krankheiten beeinflussen. Natürlich ist auch gute Laune auf Rezept zu haben. Mehr als 20 Milliarden US-Dollar geben die Konzerne jährlich für die Entwicklung von »Mind-Doping-Präparaten« aus, die den Hormonhaushalt feinjustieren sollen. Viele Medikamente werden längst außerhalb ihres Indikationsbereichs verschrieben. Mittel, die ursprünglich zur Behandlung von Alzheimer oder Altersdemenz entwickelt wurden, verbessern nun auch das Gedächtnis von Gesunden. Und Medikamente zur Linderung schwerer Depressionen verwandeln normaltemperierte Gemüter in ultraselbstbewusste Egobooster. Der amerikanische Pharmariese Eli Lilly schickte im vergangenen Jahr Gratispröbchen des Antidepressivums Prozac an private Haushalte. Warum nicht einfach mal ausprobieren, wie schön sich das anfühlt, wenn die Neuronen im Gehirn daran gehindert werden, das so genannte Glückshormon Serotonin wieder abzubauen.
Womöglich hängen der späte Boom der Glücksforschung und die bisher spärlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der guten Laune mit den strengen Maximen und Universalwahrheiten der politischen Großutopien zusammen, die lange Zeit vorgaben, was die Wissenschaft zu denken und zu forschen hatte. In den sechziger und siebziger Jahren ging es noch um die Emanzipation der ganzen Gesellschaft und die Errettung des Menschengeschlechts, solche Lächerlichkeiten wie die gute Laune des Einzelnen hatten da gefälligst in den Hintergrund zu treten. Ein Lexikon der DDR definierte Glück Mitte der siebziger Jahre als eine Art emotionale Belohnung für linientreuen Bürgersinn: »Glück, das: Gehobene innere Zufriedenheit über gute Taten und fortschrittliche Leistungen.«
Nur der ungarisch-amerikanische Glückspionier Mihaly Csikszentmihalyi ließ sich von diesen strengen Mahnungen nicht beirren. Er befragte schon 1974 Tausende Menschen nach ihrer guten Laune: Wie fühlen Sie sich? Was machen Sie gerade? Wann waren Sie zuletzt glücklich? Ergebnis: Nicht in der Hängematte, beim Schokoladeessen oder beim Liebesakt fühlt sich der Mensch am wohlsten, sondern beim Arbeiten. Wobei es nicht um das entfremdete, zerfaserte, stressverseuchte Arbeiten des Durchschnittsangestellten geht, sondern um dessen Gegenteil, den Flow. So nennt Csikszentmihalyi das Versenken ins eigene Tun, die Momente, in denen Konzentration, Geschick und Begeisterung in eins fließen. In diesen stillen Höhepunkten der Verschmelzung eines Menschen mit seiner Tätigkeit verliert man das Gefühl für Zeit und Ort, ja für sich selbst. Csikszentmihalyi beobachtete diesen beneidenswerten Zustand jedoch nur bei Menschen, die an einer selbstbestimmten Tätigkeit saßen, die sie zwar als eine Herausforderung sahen, die ihrem Gefühl nach aber zu schaffen ist. Beim Lösen einer Aufgabe zeigt sich das Belohnungszentrum im Gehirn spendabel und schüttet Dopamin und körpereigene Opiate aus.
Praktisch-pragmatische Tipps zur Steigerung der Laune gibt es mittlerweile zuhauf. In den Frauenzeitschriften wird jede Woche ein neues Lebensmittel entdeckt, das angeblich die Stimmung hebt. Die Sozialpsychologin Andrea Abele-Brehm empfiehlt neben dem Arbeiten noch lachen, laufen, meditieren. Lachen sei physiologisch heilsam; wer lacht, bekommt allein dadurch gute Laune. Joggen eignet sich laut Abele-Brehm deshalb so gut, weil das Laufen eine rhythmisierte Tätigkeit ist, bei der man nicht auf den Bewegungsablauf achten muss. Mit Endorphinen hat diese erlaufene Laune am Feierabend übrigens gar nichts zu tun, die werden nämlich erst im Extrembereich ausgeschüttet. Und meditieren?
Richard Davidson, Psychologe an der Universität von Wisconsin, konnte nachweisen, dass die gute Laune direkt hinter der Stirn wohnt. Genauer: im linken Frontalkortex. Die Aktivität dieses Bereichs ist direkt proportional zur Grundgestimmtheit eines Menschen. Je aktiver diese Gehirnregion, desto energiegeladener, wachsamer, fröhlicher ist ein Mensch. Im rechten präfrontalen Kortex dagegen hausen Stress und Nervosität. Im Zustand des Csikszentmihalyi’schen Flow brennen die Neuronen im linken Stirnhirn ein regelrechtes Feuerwerk ab. In Davidsons Augen sind gute Laune und Glück erlernbar, ja er vergleicht sie mit Fertigkeiten wie Klavierspielen oder Tischtennis. Man muss es nur schaffen, seinen linken Präfrontallappen zu aktivieren. Davidson, der selbst lange Jahre meditiert hat und überzeugt ist, dass ihm diese tägliche Übung zu einem entspannteren, glücklicheren Leben verhalf, bat den Dalai Lama um Hilfe. Der schickte acht Mönche aus seinem engen Umfeld an die Universität von Wisconsin. Mit Elektroenzephalografen und Magnetresonanztomografie wurden die Gehirnwellen der Tibeter untersucht. Die heitere Ausgeglichenheit und Gemütsruhe, die man den Buddhisten nachrühmt, war plötzlich auf den Bildschirmen zu sehen: Die Aktivität in ihrem linken Stirnhirn war sehr viel höher als die aller anderen Probanden.
Viele werden nun abwinken: Die engsten Vertrauten des Dalai Lama seien eben geistige Extremsportler, man selbst aber werde immer so düster durchs Leben schlurfen wie bisher. Davidson schickte jedoch im Anschluss an die Untersuchung der Adepten des Dalai Lama Angestellte einer Biotechfirma in ein achtwöchiges Meditationstraining für Anfänger. Danach war ihr präfrontaler Kortex aktiver als der von ungeübten Probanden aus derselben Firma. Man muss also kein Erleuchteter sein, um gute Laune trainieren zu können. Dieser Befund ist insofern ermutigend, als ja die Neurowissenschaften davon ausgehen, unsere Launen seien größtenteils genetisch disponiert.
Liest man übrigens Davidson und Csikszentmihalyi zusammen, kommt Benedikts uralte Mönchsregel heraus: Ora et labora, meditiere und arbeite. Zwischendurch noch laufen gehen und viele Mozartarien. Nur eins ist mit Benedikt nicht so recht in Einklang zu bringen: Die Forscher sagen übereinstimmend, dass auch Sex die Laune hebt.