Folge 33: Das Ende des Wartens

Die Sportschau hat ihren Sinn verloren - weil es unmöglich ist, die Ergebnisse nicht schon vorher mitgeteilt zu bekommen.

Früher hat mich Fußball wahnsinnig interessiert, dann ein paar Jahre gar
nicht mehr, bis auf einmal in dieser Saison Hoffenheim um den Titel spielt
und Bayern München gegen Bochum und Cottbus verlieren kann. Ich habe also wieder angefangen, jeden Samstag die Sportschau zu schauen.

Früher war der ganze Samstag ein sehnsüchtiges Warten auf 55 Minuten
Bundesliga kompakt. Punkt 18.05 Uhr begrüßte mich Heribert Fassbender, und die Welt war in Ordnung, der Abend perfekt. Seit dieser Saison warte ich jeden Samstag auf die Sportschau mit Reinhold Beckmann. Problem: Mindestens jeden zweiten Samstag wird mir das Warten vermiest, wird mir die Vorfreude genommen, werde ich der Spannung beraubt.

Die Zeit von 17.15 Uhr (da enden die Spiele) bis 18.00 Uhr (da beginnt die
Sportschau) ist zur heikelsten und gefährlichsten Dreiviertelstunde der
Woche geworden. Eigentlich müsste ich mich in eine Art schalldichten
Sicherheitsbunker ohne Handyempfang, Internetzugang und Steckdose
zurückziehen.

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Jeden zweiten Samstag bekomme ich in diesen 45 Minuten mindestens ein Ergebnis - oft sogar mehrere - mitgeteilt, ohne dass ich darum gebeten habe: Ich checke meine Mails – Yahoo verrät mir das Ergebnis des Spitzenspiels. Ich zappe – N24 zeigt mir die brandneue Situation am Tabellenende. Ich laufe zu Tengelmann (um mir Chips und Bier für die Sportschau zu besorgen) – der Typ vor mir an der Kasse ruft seinen besten Freund an und fragt nach den Ergebnissen. „Wie? Bayern hat verloren? Krass!“ Ich warte auf die U-Bahn – auf einer Digitalleinwand laufen auf einem Band die Ergebnisse vorbei.

Verstehen Sie? Irgendeine SMS, irgendein UMTS-Handy ist immer in der Nähe. Ich will das alles nicht wissen, ich freue mich doch auf später, auf die Sportschau, aber man schreit mir die Ergebnisse ins Gesicht, überall. Ich habe schon angefangen, nur noch mit iPod auf die Straße zu gehen, aber ich kann ja nicht auch noch die Augen zumachen. Was, wenn ich über eine Straße muss?

Was ich sagen will: Nicht immer ist der technische Fortschritt ein Fortschritt. Manchmal macht er einem alles kaputt. Vermiest einem so richtig die Laune. Eigentlich ist es doch so: Moderne Technik lässt die Wartezeiten in unserem Leben immer kürzer werden, dabei ist Warten das Spannendste und Schönste auf der Welt.