In eine Zeit, in der Zahlen die tägliche Nachrichtenlage bestimmen, fällt die Meldung vom Schmerzensgeldurteil gegen Dieter Althaus. 5000 Euro beträgt die Summe, die er an den Witwer der tödlich verunglückten Skifahrerin zahlen muss, und auch wenn die Anwälte sich darüber hinaus auf eine großzügige Ausbildungsfinanzierung der kleinen Tochter geeinigt haben sollen, löst diese Zahl ein merkwürdiges Gefühl aus. Sie widerspricht in ihrer gedrängten Dichte, in ihrer ganzen Unverhältnismäßigkeit, ein ausgelöschtes Leben aufrechnen zu müssen, dem aktuellen Empfinden für Zahlen.
Dass die öffentliche Empörung über diese 5000 Euro jetzt so spürbar ist, dass der Betrag als viel zu gering angesehen wird, hat vielleicht auch mit der gegenwärtigen Konjunktur großer Zahlen zu tun. Seit vergangenem Herbst tauchen regelmäßig neue Summen auf – Schuldenlasten, Haushaltslücken, Hilfsprogramme –, die in ihrer Höhe vollkommen abstrakt sind. Wo lag noch vor einem halben Jahr die Grenze des allgemeinen Vorstellungsvermögens, was Geldbeträge angeht? Die „Million“, in Quizshows und oscarprämierten Filmen immer noch der Fluchtpunkt aller Utopien, spielt als Einheit kaum noch eine Rolle; auch die „Milliarde“, bis vor kurzem eine Metapher des Ungreifbaren schlechthin, wird langsam hinter sich gelassen. Unsere Einbildungskraft dehnt sich, was Zahlen betrifft, gerade Tag für Tag weiter aus. Gelegentlich ist nun sogar von „Billionen“ und „Trillionen“ die Rede, wobei der Umstand, dass diese Begriffe im Deutschen und im Englischen unterschiedlich hohe Beträge bezeichnen, immer wieder zu Übersetzungsfehlern und Missverständnissen führt. Am Tag der Bekanntgabe des Urteils gegen Althaus wurde etwa über den „Wirtschaftsfonds Deutschland“ berichtet, ein neues Förderprogramm der Bundesregierung für notleidende Unternehmen, das Bürgschaften und Kredite von insgesamt 100 Milliarden Euro umfasst. Genau das sind die Kategorien, in denen Zahlen im Moment verhandelt werden.
Die Milliarden des Fonds und Althaus’ 5000 Euro: Weiter könnte die Gestalt zweier Zahlen, ihre „Füllung“ gewissermaßen, nicht voneinander entfernt sein. Aus der einen ist jede fassbare Referenz entwichen; es sind ungegenständliche, weitläufige Zahlensphären, von denen man nur theoretisch annehmen kann, dass sie sich in unendlich viele konkrete Maßnahmen aufspalten werden. Die 5000 Euro Schmerzensgeld dagegen sind bis zum Rand mit Wirklichkeit vollgesogen; die Zahl droht fast zu platzen vor Inhalt, vor jenem unwiederbringlichen Verlust, den sie begleichen soll.