Der Unterschied zwischen politischem Kabarett und Stand-up-Comedy zeigt sich schon im unterschiedlichen Klang des Beifalls im Publikum. Allein an diesem Geräusch ließe sich erkennen, ob man sich gerade im „Scheibenwischer“ oder im „Quatsch Comedy Club“ befindet. Der Applaus im politischen Kabarett hat etwas Komplizenhaftes, nach innen Gewendetes; das Klatschen ist immer auch ein Sich-selbst-Beklatschen, eine gemeinsame Feier der richtigen Haltung, die von den Menschen auf und vor der Bühne geteilt wird. Ganz anders dagegen das Toben im Saal bei Comedy-Auftritten: Der Sound der Begeisterung hat nichts Einvernehmliches, sondern eher etwas Entfesseltes; die Zuschauer klatschen nicht in sich hinein, sondern sie scheinen alles von sich wegzuklatschen.
Morgen wird in der ARD zum ersten Mal der „Satire Gipfel“ mit Mathias Richling ausgestrahlt – jenes Kabarettprogramm, das bekanntlich nicht mehr „Scheibenwischer“ heißen darf. Dieter Hildebrandt, der die Sendung vor 29 Jahren ins Leben rief, hat als Rechteinhaber den Gebrauch des Namens untersagt, weil Richling das Programmspektrum öffnen und künftig auch Gäste aus dem Comedy-Bereich einladen will. Die Mitwirkenden an diesem Donnerstag, Ingolf Lück oder der Österreicher Matthias Seling, stehen bereits für die neue Ausrichtung der Sendung. Hildebrandt und Richling überbieten sich derzeit in ihren Anschuldigungen und Beleidigungen; an der Differenz zwischen politischem Kabarett und Stand-up-Comedy scheinen jahrzehntelange Freundschaften zu zerbrechen. Die ganze Auseinandersetzung hat jedoch etwas Vergebliches, wenn man bedenkt, dass beide komödiantischen Formate doch genau die gleiche Trostlosigkeit ausstrahlen. Natürlich hat Dieter Hildebrandt recht, wenn er die Comedy-Programme nicht in der von ihm aufgebauten Sendung sehen will, diese ewig gleichen Ich-Geschichten aus dem Alltag der Komiker, hysterisch vorgetragen, mit aufgeregter Stimme. Doch ist das Personal des „Scheibenwischers“ in den letzten zehn Jahren auch nur im Mindesten lustiger, unerwarteter, spannender gewesen als die Kollegen von der Stand-up-Bühne?
Man denke nur an die bräsige Selbstgefälligkeit eines Bruno Jonas, an die verkürzt kulturkritischen Einlassungen eines Georg Schramm, nicht zuletzt auch an die immer routinierter runtergehaspelten Parodien des neuen Gastgebers Mathias Richling selbst. Im „Scheibenwischer“ gab es seit vielen Jahren keinen Augenblick der Überraschung mehr. Stattdessen wird Folge für Folge dieselbe erwartbare Klage über die Welt zelebriert, vom gemütlichen, selbstgerechten Standpunkt des politischen Kabaretts aus. Das Publikum liebt seinen „Scheibenwischer“ daher auch wie das Volksmusik-Publikum seinen „Musikantenstadl“. Die Sendung bietet für die dankbare Gemeinde genau jene Fernseh-Berieselung, die sie eigentlich anprangern und korrigieren wollte.
Die Entscheidung zwischen politischem Kabarett oder Comedy am Donnerstagabend heißt natürlich: gar nicht erst einschalten. Man könnte nach dem „Scheibenwischer“ höchstens kurz zu „Schmidt & Pocher“ reinschauen. In den Einzelauftritten des Ersteren würde vielleicht für kurze Zeit aufflackern, wie es einmal funktioniert hat.