Vielleicht führen sie beim ZDF ja einfach das Testbild wieder ein. Wenn Johannes B. Kerner 2010 zu Sat 1 wechselt, wie heute vermeldet wurde, dann heißt das ja, dass in Mainz ungefähr 80 Prozent der Sendezeit auf einmal anders gefüllt werden müssen. Man muss sich da Szenen der Panik vorstellen: Hektisch rennen Mitarbeiter die Gänge auf und ab, suchen alte Videokassetten, Best-Of-Zusammenschnitte der Mainzelmännchen, egal was, Hauptsache, irgendwie die Lücken füllen, die Kerner hinterlässt.
Aber es geht ja nicht nur um das ZDF, die Frage ist ja: Was bewirkt Kerners Wechsel im gesamten hochkomplexen Gefüge der deutschen Fernsehsender? Da kann jetzt, um Gottes Willen, alles in Bewegung geraten, lawinenartig. Es geht um gefühlte 100 Stunden Sendezeit in der Woche, die plötzlich zur Disposition stehen. Das ZDF wird jeden, der halbwegs ein Mikrofon halten kann, zum Vorstellungsgespräch laden. Da wäre fast schon Marco Schreyl denkbar. Ach was, sogar Sonja Zietlow. Oder gleich Gundis Zambo? Und Oliver Pocher hat doch gerade erst die ARD verlassen – was, wenn sie beim ZDF jetzt plötzlich auf die Idee kommen, dem Kerners Talkshow zu geben? Das kann alles sehr, sehr hässlich werden. Und was passiert dann bei den Sendern, deren Moderatoren reihenweise vom ZDF eingekauft werden? Mit welchen Gesichtern füllen die die Zeit zwischen den Werbeblöcken? Irgendwo machen sich in diesem Augenblick schon die ersten Neun-Live- und Homeshopping-Aufsager bereit zum Senderwechsel. Was Kerner mit seiner Entscheidung anrichtet, werden Medienhistoriker erst in vielen Jahren wirklich beurteilen können. Es ist wie damals, als zur Diskussion stand, ob Günther Jauch die Nachfolge von Sabine Christiansen in der ARD antritt: Plötzlich scheint möglich, dass das ganze System aus Sendern, Gesichtern, Formaten völlig neu geordnet werden könnte. Die einzigen, die jetzt nicht vor einem Berg ungelöster Fragen stehen, sind die Leute bei Sat 1. Schließlich ist klar, was kommt: genau das ununterbrochene Rumgekernere, das bisher dazu führte, dass man die 2 auf der Fernbedienung lieber nicht so oft drückte. Sogar von Jahresrückblicken wird schon gesprochen. Das ist nicht schön, aber immerhin: Man kann sich wenigstens drauf einstellen.