Mein Lieblingsschuh

Nationalspieler Mesut Özil hat seinen Schuh des Sommers gefunden: Er wiegt 185 Gramm, hat extralange Stollen, ist grell-orange und kostet 375 Euro. Unse Autorin Meike Winnemuth zieht hingegen Espandrilles vor. Die sind auch bunt und kosten bloß nen Zwanni.

    Die Espandrille ist günstig, bunt und bequem. Sie ist der Schuh des Sommers 2010.Von Meike Winnemuth

    Was jeder gute Sommerschuh braucht, ist eine gewisse Haltlosigkeit: Riemchen, die den Fuß nur mühsam bändigen und ihn ständig links und rechts von der Sohle schlappen lassen; dünne Stoffe, durch die sich irgendwann der große Zeh bohrt, zur Sonne, zur Freiheit. Eine Sohle aus Gummi, Kork oder Holz, auf keinen Fall aus Leder. Er ist so nah am Barfußgehen, wie man in der Stadt gerade noch sein darf. Man muss ihn ansehen und sofort wissen: Der überlebt nicht lange, nicht länger als einen Sommer.

    Genau so ein Schuh ist die in dieser Saison wieder allgegenwärtige Espadrille. Ein Schuh, der sofort gute Laune macht und die Außentemperatur um gefühlte zehn Grad erhöht. Nicht so strandlatschig wie der Flip-Flop, nicht so klotzambeinig wie der ebenfalls aus den Siebzigern reanimierte Holz-Clog, sondern ein Schuh wie Ferien mit Sophia Loren an der Riviera, leicht und leichtsinnig. Und sonnensüchtig: ein Regenguss, und die geflochtene Sisalsohle wird erst hart wie ein Brett und zeigt dann die ersten Auflösungserscheinungen. Espadrilles (das Wort stammt aus dem Provenzalischen, der Schuh wohl aus Mallorca, wer weiß das schon genau bei ewigen Klassikern?) gibt es in diesem Jahr natürlich auch in der Luxusversion bei Louboutin und Miu Miu, aber genau um Luxus geht es hier ja gar nicht, sondern um ein tragbares Ex-und-Hopp. In der flachen Version kostet die Espadrille meist nicht mehr als einen Zehner, in der strandpromenadenfeinen Fassung mit Keilabsatz und Bändern um die Knöchel – ach, sagen wir: nen Zwanni. Dafür kann man sie gleich mindestens dreimal kaufen. In Gelbgrün! Türkis! Rot-weiß gestreift! Schuhe wie kleine Sonnenschirme, in Farben, wie sie zu keiner anderen Jahreszeit an die Füße dürften. In ihnen geht man selbst über graues Fußgängerzonenpflaster, als wäre es eine staubige Dorfstraße in Südfrankreich, mit ihnen zieht man sich sofort den Urlaub an die Füße, die große Unbekümmertheit. Klar, sie werden schmuddelig, ganz schnell sogar. Na und? Bald kommt der Herbst. Dann wirft man sie weg. Und nächsten Sommer kauft man sich neue.

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    Der Stollenschuh ist das wichtigste Arbeitsgerät des Fußballers. Nur das kann der Schuh des Sommers 2010 sein. Von Mesut Özil

    Lothar Matthäus wollte 1990 im WM-Finale nicht den Elfmeter schießen, weil seine Schuhe kaputtgegangen waren und er in den nagelneuen nicht genug Gefühl hatte. Das verstehe ich gut: Ganz neue Fußballschuhe probiert man zwei Wochen im Training aus und dann erst im Spiel. Ich lege Fußballschuhe vor dem Spiel in die Sauna oder mache sie mit heißem Wasser nass, so werden sie geschmeidiger. Aber nehmen Sie vorher die Sohlen raus, und machen Sie die Schuhe nicht bei Minusgraden nass, sonst frieren Ihnen die Zehen ein, wie es im Winter Franck Ribéry passiert ist.

    Wie findet man den perfekten Fußballschuh? Der beste Fußballschuh ist ganz einfach der, der dir am besten passt. Ich habe schmale Füße, darum trage ich Nike. Den »Mercurial Vapor« hatte ich bereits als Jugendspieler, das Modell für 2010 heißt »Nike Mercurial Vapor Superfly II Elite« – nicht leicht zu merken, dafür wiegen die Schuhe nur 185 Gramm. Fühlt sich fast so an, als ob man barfuß spielt. Dass nur Dribbler und Stürmer farbige Schuhe tragen, stimmt nicht, aber bei Kreativspielern sieht man sie schon öfter als bei Abwehrspielern. Ich mag das grelle Orange. Damit sollen einen die Mitspieler schneller auf dem Platz erkennen. Zumindest fällt man damit auf. Wenn einer im Team neue, besondere Schuhe hat, reden wir in der Nationalmannschaft darüber, von Mannschaftskollegen mit anderen Sponsoren habe ich gehört, dass sie die hier cool finden. Wir müssen immer die neuesten Schuhe tragen – nur Oliver Kahn hatte jahrelang dasselbe Modell an, von Adidas.

    Ich bekomme die Schuhe vorab zum Testen, dann sage ich, was man verbessern könnte – ich wollte etwas längere Stollen. Der »Superfly II« hat einen Stollen im Vorfuß, der sich bei Bedarf ausdehnt für einen schnelleren Antritt – ich ziehe den Hut vor den Leuten, die sich so etwas ausdenken. Anders als Trikots hebe ich Fußballschuhe nach Spielen nicht auf, die getragenen Paare schenke ich meinem Bruder oder Freunden. In Südafrika mache ich vielleicht mal eine Ausnahme, da trage ich besondere Schuhe: Darin steckt ein Chip mit Facebook-Botschaften, die mir Tausende Fans geschrieben haben. Und nach der Weltmeisterschaft? Ich freue mich darauf, mal ohne Fußballschuhe rumzulaufen, im Sommer am liebsten in Flip-Flops.