Ungarische Froschmaulrüschen

Nicht einmal bayerische Trachten sind noch echte bayerische Trachten. Ein Gespräch mit Eva Dekne, Näherin in einer ungarischen Dirndl-Fabrikation

SZ-Magazin: Frau Dekne, was für Dirndl nähen Sie?
Eva Dekne: Meistens ein Grund-Dirndl, das in eineinhalb Stunden fertig ist, dazu kommen Extras. Auf dem Oktoberfest trägt aber keiner ein Grund-Dirndl.

Sondern?
Ein Dirndl mit Miederhaken und Rüschen. So eins dauert dreieinhalb Stunden.

Das heißt, Sie schaffen zwei bis drei Dirndl pro Tag?
Ich nähe 80000 bis 90000 pro Jahr. Natürlich nicht allein. Ich bin eine von 80 Näherinnen. Es gibt hier eine Zuschnitthalle und drei Nähereien, mit einem Nähbandsystem.

Also ein Fließband.
Ja. Aber ich arbeite nicht nur am Fließband, da ich in der sogenannten Beende-Gruppe bin, in der wir auch viel Handarbeit machen.

Was ist beim Nähen eines Dirndls am schwierigsten?
Die Herz- und Froschmaulrüschen, die muss ich von Hand auf den Ausschnitt nähen. Das dauert eine halbe Stunde. Aber auch Miederhaken, Reißverschlüsse und Verschlüsse mit Federhaken haben es in sich. Am schnellsten gehen Dirndl mit Knöpfen.

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Beschäftigen Sie sich den ganzen Tag mit Froschmaulrüschen und Federhaken?
Nein, ich bügle auch Dirndl und befestige die Schürze mit einer Stecknadel.

Wie lange geht Ihr Arbeitstag?
Von sieben Uhr bis 15.40 Uhr. Alle zwei Stunden haben wir zehn Minuten Pause und um zwölf Uhr eine halbe Stunde Mittag.

Wie lange arbeiten Sie schon als Dirndl-Näherin?
Seit zwölf Jahren. Ich habe fast eine Million Dirndl genäht.

Haben sich die Dirndl in dieser Zeit verändert?
Ständig. Zweimal im Jahr, zu jeder Saison, ändern sich Farben, Stoffe, Längen.

Woher wissen Sie, wie Sie die Dirndl nähen sollen?
Wir bekommen am Anfang der Saison Musterteile. Im Moment nähen wir die Kollektion für das nächste Frühjahr und die Herbst/Winter-Produktion – das sind die Dirndl fürs kommende Oktoberfest.

Wissen Sie, wer Ihre Dirndl auf dem Oktoberfest trägt?

Na, alle Frauen, die dort sind, oder?

Besitzen Sie selbst ein Dirndl?

Nein, das ist in Ungarn nicht üblich. Ich trage lieber Hosen, die sind praktischer.

Wie viel verdienen Sie?

Zwischen 160000 und 170000 Forint im Monat. Brutto.

Das sind knapp 700 Euro. So viel hat früher mal ein gutes Dirndl gekostet, bevor die Globalisierung alles verändert hat. Heute zahlt man dank Menschen wie Ihnen nur noch ein Zehntel.
Das ist doch schön.

Waren Sie selbst schon einmal auf dem Oktoberfest?

Bisher noch nicht.

Würden Sie gern mal nach München kommen?
Ja, gern! Es muss eine schöne Stadt sein. Und die Frauen dort tragen vie-le Trachtenkleider, vor allem bei der Arbeit.

Na ja, so viele sind es dann doch nicht.
Aber ich stelle es mir trotzdem gern so vor.

Eva Dekne, 51, arbeitet bei der Firma LSF-Holding, rund 100 Kilometer östlich von Budapest.

(Interview); Illustration: Dirk Schmidt