Diese Geschichte ist eine traurige Premiere. Zum ersten Mal seit Gründung des SZ-Magazins vor 26 Jahren ist ein Mensch in der kurzen Zeit gestorben, in der ein Heft schon gedruckt aber noch nicht erschienen ist.
Im März habe ich Lou Pearlman, den Erfinder der Boybands Backstreet Boys und NSYNC im Gefängnis in Florida besucht. Er saß dort eine 25-jährige Haftstrafe wegen Betrugs ab. An zwei Vormittagen kurz vor Ostern haben wir mehrere Stunden gesprochen, über die Bands, die er gegründet hat, seinen gigantischen Anlagebetrug, der Kleininvestoren mindestens 300 Millionen Dollar gekostet hat – und seinen Plan, einen Teil seiner Schuld vom Gefängnis aus zurückzuzahlen.
Pearlman wollte eine neue Band zusammenstellen, mit Hilfe ehemaliger Weggefährten, so war es im Januar 2014 im Hollywood Reporter zu lesen. Mit den Einahmen wolle er seine Opfer entschädigen und dadurch früher aus der Haft entlassen werden.
Ich war auf diesen Artikel hin neugierig geworden, hatte Pearlman einen Brief ins Gefängnis geschrieben, daraus wurden regelmäßige Telefonate und irgendwann eine Einladung, ihn besuchen zu kommen. Pearlman wirkte fit, hatte deutlich abgenommen, die Haare grau. Er freute sich über die Snacks aus dem Automaten, die er nur dann essen konnte, wenn ein Besucher ihm Geld dafür mitbrachte. Er sprach stundenlang, schnell und ohne Pause. Es tue ihm leid, was geschehen sei, er bereue seine Taten. Zum Abschied machten wir ein Foto, es dürfte eines der letzten Bilder von ihm sein.
So entstand eine Geschichte, in der neben Pearlman und seinem Umfeld auch Opfer seines Betrugs zu Wort kommen, sowie der Insolvenzverwalter, der aus den Resten von Pearlmans zerfallenen Firmen Geld für die geprellten Anleger herausholen sollte.
Pearlman war auch nach stundenlangen Gesprächen schwierig einzuschätzen, er wirkte charmant und freundlich, doch nicht alles, was er sagte, ließ sich einwandfrei überprüfen. Ein alter Freund von ihm hat vor dessen Tod über Pearlman gesagt: »Sein ganzes Leben dreht sich um Lügen.«
Am 18. August haben wir die Geschichte an die Druckerei geschickt, noch am selben Tag schrieb Paul Dias, einer der Mitarbeiter an Pearlmans neuer Band, eine Email über die Fortschritte des Projekts. Einen Tag später ist Pearlman überraschend gestorben, wohl an den Folgen einer Herzoperation, von der Pearlman seinem Umfeld noch Ende Juli sagte, dass sie gut verlaufen sei und er sich erhole.
Bekannt wurde sein Tod in den Morgenstunden des 21. August deutscher Zeit. Da war das Heft, das heute der Süddeutschen Zeitung beiliegt und der Text über Lou Pearlman, der hier mit SZ Plus zu lesen ist, schon gedruckt.
Jetzt, da Pearlman tot ist, hat die Geschichte einen anderen Beigeschmack. Wir wollen sie trotzdem veröffentlichen, weil wir glauben, dass sie auch über Pearlmans Tod hinaus interessant ist – als letzter Einblick in das Leben eines Mannes, der viel erreicht hat und doch viel Leid verursacht hat.
Lesen Sie die gesamte Geschichte mit SZ Plus:
Foto: AP