Jeder Ton ist nur so gut wie die Stille um ihn herum, deshalb gibt es in der Elbphilharmonie dafür einen eigenen Raum. Er liegt verborgen hinter einer halbhohen Tür. Wenn in einigen Monaten Besucher und Musiker durch die Gänge des neuen Gebäudes im Hamburger Hafen laufen, wird sie verschlossen sein; aber so weit ist es noch nicht.
Die Decke hängt tief, man muss den Kopf einziehen, wenn man den Raum betritt. Man tut das aber automatisch beim Gedanken, dass die Decke über einem die Unterseite des Großen Konzertsaals mit 2100 Sitzplätzen, der, gehalten von mehreren Hundert Federn aus Stahl, mehr oder weniger in der Luft hängt. Hier, zwischen der Betonschale, die den Saal umhüllt, und der zweiten Schale, in der die erste Schale liegt, ist der einzige Ort im Haus, in dem die Musik aus dem Saal sich mit den Geräuschen der Außenwelt mischen. »Draußen im Hafenbecken kann das Nebelhorn eines Schiffs tuten – man wird im Saal nichts davon hören«, sagt Yasuhisa Toyota. Umgekehrt wird keine Musik in die Wohnungen und Hotelzimmer oberhalb des Saals gelangen; nicht einmal Schwingungen: deshalb die Federn.
Yasuhisa Toyota, geboren 1952 in Tokyo, mag es nicht, wenn man ihn als einen der Architekten der Elbphilharmonie bezeichnet. Streng genommen ist er aber nichts anderes, zusammen mit den Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Die Zuständigkeiten: Herzog und De Meuron entwarfen die Elbphilharmonie für die Augen, Toyota für die Ohren. Die von ihm bevorzugte Berufsbezeichnung: Akustikdesigner. »Der Markt für diesen Beruf ist extrem klein, viele Leute wissen nicht einmal, dass es ihn gibt.« Seine Aufgabe: die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass im Saal Musik so gut klingen kann wie möglich.
»Es gibt nur zwei Dinge, die für die Akustik von Bedeutung sind: die Raumform und die Materialien, aus denen er besteht«, sagt Toyota. »Mehr ist es nicht, aber es sind genau die gleichen Faktoren, mit denen auch der Architekt arbeitet. Deshalb müssen wir da von vorne bis hinten zusammen durch.«
Toyota ist Chef des Ingenieurbüro Nagata Acoustics für die USA und Europa. Neben der Elbphilharmonie arbeitete er bei beinahe allen wichtigen Konzertsaal-Projekten der vergangenen Jahre mit, unter anderem die Philharmonie de Paris, der neue Saal des Radiosinfonieorchesters Polen und der Konzertsaal des Mariinsky Theaters in St. Petersburg.
Er arbeitet mit Formeln, Computer-Simulationen und akustischen Messungen in einem Modell der Säle – alles, um auf der Grundlage einer großen Menge Zahlen einen möglichst genauen Blick in die Zukunft zu werfen. Denn in dem Moment, wenn tatsächlich zum ersten Mal Musik in einem neuen Saal erklingt, kann Toyota nur noch nachbessern, aber nichts mehr verändern.
Die Elbphilharmonie könnte seine Karriere als Akustik-Papst krönen – wenn alles so wird wie erhofft. Wenn nicht, wäre sie sein erster Flop.
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Foto: Daniel Delang