Arkadiusz Protasiuk

wollte im Kreis der Präsidentenpiloten bleiben. Darum erklärte er sich zur riskanten Landung der polnischen Regierungsmaschine bereit.

Es ist einer seiner letzten Sätze, deutlich hört man seine Stimme in den Aufzeichnungen des Flugrekorders: »Jetzt zeigen wir mal, wie die Besten landen!« Für einen ehrgeizigen Piloten wie den 36-jährigen Protasiuk war es ein Lebenstraum, im Cockpit einer Regierungsmaschine zu sitzen. Auch wenn es an diesem diesigen Apriltag hektisch war: Präsident Lech Kaczynski wollte pünktlich in Smolensk landen, es ging um eine Gedenkfeier und Fernsehbilder für den bevorstehenden Wahlkampf. Die schlechte Sicht, die veraltete Maschine – alles Nebensache. Protasiuk flog in eine Nebelbank hinein, wissend, dass er sich nicht auf die Technik verlassen konnte, weil der Smolensker Flughafen nicht über ein Leitsystem für den Blindflug verfügt.

Jeder weiß, wie die Landung ausging: Um 10.41 Uhr zerschellte das Flugzeug vom Typ Tupolew Tu-154 in einem Waldstück unweit der russischen Großstadt Smolensk. Alle 96 Passagiere verbrannten in den Trümmern, unter ihnen Staatspräsident Lech Kaczynski und seine Frau Maria, drei stellvertretende Parlamentspräsidenten und die fünf höchsten Generäle. Polen trug Staatstrauer, Tausende Blumen lagen vor dem Präsidentenpalast in Warschau. Das Land hatte an einem einzigen Vormittag einen beachtlichen Teil seiner Elite verloren. Und dann das: »Die Hauptursache für den Absturz der Tupolew Tu-154 waren Pilotenfehler«, so steht es im Bericht der russischen Untersuchungskommission.

Arkadiusz Protasiuk, verheiratet, zwei Kinder, verlor an diesem 10. April nicht nur sein Leben. Er war zum Schuldigen geworden. Er, der erfolgreiche Pilot, der sich in seinem letzten Ausspruch als »der Beste« selbst Mut zugesprochen hatte, vielleicht, weil er es gewohnt war, zu den Besten zu gehören: Abitur, Studium der Politologie und Journalistik, Examen in Englisch und Russisch, Offiziers- und Pilotenprüfung, exzellente Noten. Er hätte in jedem anderen Beruf auch Karriere gemacht, aber er wollte unbedingt zum Militär, als Pilot in das Cockpit des wichtigsten Flugzeugs der Flotte.

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Und mitten in die Trauer hallte nun die Frage, wie ein Land mit so jemandem umgehen soll, der es nach ganz oben schaffen wollte und dann so spektakulär abstürzte. Seine Eltern wollten nicht mitansehen, wie aus dem besten Piloten der Hauptschuldige wurde. Sie beklagten im Fernsehen, die Politiker würden ihre Fehler auf die Besatzung der Tupolew abwälzen: Ihr Sohn habe eine veraltete Maschine fliegen müssen und das eigentlich vorgeschriebene Training für Extremsituationen sei gestrichen worden.

Nun gibt es tatsächlich Hinweise darauf, dass der unerfahrene Navigator die beiden Höhenmessgeräte verwechselt hat. Eines zeigt die Höhe über dem Grund, das andere die über dem Meeresspiegel an. Und die Stimmaufzeichnungen im Cockpit beweisen, dass Protasiuk und sein Copilot kurz vor dem Absturz nicht allein im Cockpit waren. Hinter ihnen stand der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte und gab den Piloten Anweisungen, gegen jede Vorschrift. Hätte Protasiuk die Landung verweigern können? Theoretisch ja. Doch er wusste, dass ein Kollege, der sich geweigert hatte, mit der Regierungsmaschine in der militärisch bedrohten Hauptstadt Tiflis zu landen, für immer aus dem Kreis der Präsidentenpiloten ausgeschlossen worden war. Bei jenem Flug war Protasiuk Copilot gewesen.

Foto: dpa