Als sich der eine zum Sterben hinlegt, wird der andere unsterblich. Brutaler kann das Duell zweier Männer nicht enden. Am 1. November unterbricht Philip Andrew Irons, genannt Andy, seinen Rückflug vom Surfweltcup in Puerto Rico, krank und schwach legt er sich in ein Hotelzimmer am Flughafen von Dallas. Andy, der dreifache Surfweltmeister, nimmt starke Schmerzmittel und den letzten Bissen eines Schokoriegels zu sich, er zieht die Bettdecke bis zum Hals und fällt in einen fiebrigen Schlaf, aus dem er nicht mehr erwacht. Er stirbt mit 32 Jahren einen rätselhaften Tod.
Am selben Tag gewinnt Robert Kelly Slater, genannt Kelly, seinen Vorrundenlauf beim Weltcup in Puerto Rico. Fünf Tage später wird er vorzeitig Weltmeister, sein letztes großes Ziel: der zehnte WM-Titel. Slater, 38, hält alle Rekorde - bis auf einen: Er hat nicht jeden einzelnen Wettbewerb der Tour gewonnen, das gelang nur Andy Irons. Das Leben des Andy Irons kann man nicht erzählen ohne Kelly Slater. Und anders herum. Every hero needs a villain, jeder Held braucht einen Bösewicht, sagen die Amerikaner, die ihre Sportstars so lieben. Typen wie Slater: erfolgreich, gut aussehend, besonnen.
Sein Gegenspieler wäre folglich Irons: im Wettkampf rücksichtslos, zu Wutausbrüchen neigend und betrunken auf Freunde losgehend. Gut und Böse - aber so einfach war es nicht. Am 24. Juli 1978 wird Andy Irons auf Hawaii geboren. Vor dem Elternhaus brechen sich die Wellen der Hanalei Bay, Spielplatz für ihn und seinen Bruder Bruce. Andy reitet kleine Wellen gut und riesige auch, aber niemand surft so aggressiv wie er. Darum wird er 2002 Weltmeister. 2003 trifft er erstmals auf Kelly Slater, der da schon eine Legende ist und nach einer Auszeit zurückkommt. Als Teenager vergötterte Andy Irons Kelly Slater, jetzt sieht er in ihm nur den Konkurrenten. Ihr Zweikampf um den Titel artet aus: Irons will Slater nicht nur besiegen, er will ihn demütigen. 2003 und 2004 gelingt ihm das. Aber Slater lernt aus den Niederlagen. 2005 wird er Weltmeister. Daran zerbricht Irons, auch wenn es keiner merkt.
Alle kennen zwar die Drogen- und Alkoholgerüchte, die sich um ihn ranken, aber das Surfbusiness will keine Skandale. Und Irons sieht gesund aus: groß, muskulös, braun gebrannt. Er lacht viel, hat immer Zeit für ein Autogramm. Er ist es auch, der Kelly Slater 2006 zu einer Reise einlädt, auf der sich die beiden aussprechen. 2008 zieht Andy Irons sich vom Wettkampf zurück, spricht von Burnout, andere reden von Entzug. 2010 gelingt Irons ein Comeback mit dem Weltcupsieg auf Tahiti, in der spektakulärsten Welle der Welt. Die inneren Dämonen scheinen besiegt. Der Tod kommt überraschend. Die Familie spricht vom Denguefieber, wahrscheinlicher ist ein Mix aus Erkältung, Schlafmangel und Medikamenten. Im Dezember kommt sein erstes Kind zur Welt, ein Junge.
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