Immer mehr schält sich heraus, dass Umfragen zum Thema Sex möglicherweise nicht die Realität abbilden, sondern ein Paralleluniversum, das aus Spinnereien besteht. Unser Zwillingsplanet heißt nicht »Kepler-186f«, sondern eher »Schwindler-186f«. Und er liegt nicht in der bewohnbaren Zone eines großen Sterns, sondern in den Bumsfantasien der Befragten. So etwa in einer Umfrage, die jüngst von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Ressort »Geld und mehr« zitiert wurde (womit auch endlich geklärt wäre, wie sexy das geheimnisvolle »... und mehr« tatsächlich gemeint ist). Es ging um den »Zeitvertreib an Bord« von Flugzeugen, und laut einer »anonymen Umfrage« geben zehn Prozent der Befragten an: Sex.
Zum Vergleich: 48 Prozent vertreiben sich die Zeit mit »Lesen«, 21 Prozent mit dem »Bordprogramm«, ein Prozent mit »Arbeit«. Zehn Prozent aber, wie gesagt, mit Sex. An Bord dieses Fluges wäre man gern einmal. Die Hälfte liest (wahrscheinlich »Geld und mehr«), ein Zehntel sext, und das eine Prozent, das arbeitet, wird dafür von der Fluggesellschaft bezahlt. Oder anders gesagt: Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Sex-Umfragen, das ist doch einfach nur gelogen.
Ja, wir meinen auch euch, die Ihr schon voriges Jahr in einer ähnlich gelagerten Umfrage, ebenfalls zitiert in seriösen Medien, in Scharen angabt, schon einmal Sex im Flugzeug gehabt zu haben: 18 Prozent von euch waren das. Eine von diesen irren Schuhsohlenzahlen, die einfach nicht stimmen können. Eine Frage, liebe 10 bis 18 Prozent: Wart Ihr schon einmal in einem Flugzeug? Seid Ihr schon einmal geflogen? Oder habt Ihr bisher immer die Arme ausgebreitet, propellerartig Luft durch die Lippen gestoßen, seid dabei nackt durch die Wohnung gerannt und habt an Helene Fischer gedacht (laut euren Angaben in aktueller Playboy-Umfrage Deutschlands »heißeste Sängerin«)? Das, liebe 10 bis 18 Prozent, ist nicht Sex beim Fliegen.
Für euch zur Erklärung: Sex beim Fliegen hieße, nach langer und oft beschwerlicher Anreise den Flughafen erreichen, dort mindestens zweimal in der Schlange stehen, zusehen, wie Leute mit auf Rollen davonfahrenden Plastikwannen kämpfen, auf Socken seine Habseligkeiten zusammenraffen, wieder warten, erst fürs Boarding, dann im Bus, dann auf der Gangway, dann zwischen den Sitzplatzreihen, Handgepäck an den Kopf zu kriegen, sich irgendwo reinzuzwängen, im Sitzen die Gurt-Enden und den anderen Kram unter dem eigenen Hintern vorziehen, wieder zu warten, bis die Sicherheitsgeschichten vorbei sind, warten, bis das Ding rollt, bis das Ding fliegt, bis das Zeichen aus ist, bis der Gang frei ist, sich dann wieder rauszuzwängen, dann wieder zu warten, bis das Faltkabinchen frei ist, in dem überall Papier und Seife verteilt ist, und dann, hört Ihr noch zu, und dann da Geschlechtsverkehr zu haben. DAS hieße, sich im Flugzeug mit Sex die Zeit vertreiben.
Na? Immer noch 18 Prozent? Immer noch 10? Ach so. Ihr meintet mit Sex, sich unter der mühsam aus der Plastikverpackung befreiten Plastikdecke kurz am Unterleib zu kratzen, während Ihr im »Focus« nach Bildern von »heißesten Sängerinnen« sucht. Das könnte dann natürlich wieder hinkommen.
Illustration: Eugenia Loli