James Bond, das haben Wissenschaftler untersucht, hat ein Alkoholproblem. Ihren Studien zufolge ein so gravierendes, dass es ihm nach den Regeln der Medizin eigentlich auf die Libido schlagen müsste. Sein #aufschrei erregender Frauenkonsum wäre dann nur nur vorgetäuschte Angeberei eines eigentlich Impotenten. Das, so finde ich, müsste einem durchschnittlichen 007 an inneren Brüchen und Konflikten eigentlich reichen. Tat es ja auch jahrzehntelang: Die Welt war in Gefahr, der Retter mit dem Brusthaar und den technischen Gadgets kam, die unter die Kunstrichtung »naive Futurologie« fielen. Seine Gegner waren ein bisschen gaga, ihre Motivation meist einfach: Weltherrschaft. Gold. Beides.
Heute ist das irgendwie alles anders. Heute hat Bond nicht nur die oben erwähnten Probleme, heute hat Bond Vergangenheit. Traumata. Er verliebt sich sogar, so richtig mit Gefühlen, nicht nur untenrum, sondern auch innen drin. Und die Bösewichte, die wollen den MI6 oder die Welt oder beides nicht mehr nur deshalb zerstören, weil sie eben ihre irre Natur dazu treibt. In Skyfall, dem letzten Bond, schlummerte im bösen Bösewicht ein ungelöster Mutterkomplex. Oh Gottchen.
Ich bin gegen solche Mätzchen – auch wenn ich die armen Filmregisseure verstehe. Selbst die, die Kassenschlager wie Bonds drehen dürfen, dürfen sich seit einigen Jahren anhören, dass das Zeitalter des Kinos vorbei und das Fernsehen wieder das heiße Ding sei. Weil sich im neuentdeckten Format der Serie Charaktere tiefgründiger und genauer zeichnen lassen, weil sich hier die Figuren entwickeln können, weil sie wachsen, scheitern, brechen können. Dass es keinen Spaß macht, lau besprochene Ballerfilme zu drehen, während die Kritiker jede auf Ex geglotzte Serie zum neuen „Krieg und Frieden“ hochjubeln, liegt auf der Hand. Also drehen die Regisseure – sie sind ja meist nicht so doof, wie ihre Filme lange aussahen – nun eben auch Serien. Schneiden dann eine ganze Staffel hintereinander und nennen das Ergebnis Kinofilm. Mit Überlänge, gut. Aber eben auch mit all der Tiefe und Komplexität, die die Fuzzis vom Feuilleton doch die ganze Zeit gefordert haben. Das Ergebnis: Spectre etwa, der neue Bond, der nächsten Monat starten wird, dauert schlanke 160 Minuten. Und ist damit längste aller Zeiten.
Damit liegt 007 voll im Kino-Trend: In Victoria entfaltete sich der Berliner Wahnsinn in 139 Minuten, wenn auch sehr toll. Der siebte Teil von Fast & Furious: 137 Minuten, und das, obwohl die Reihe nun ja auch schon fast eine Serie ist. Bis jede der 50 Shades of Grey abgehandelt war, vergingen immerhin zwei Stunden und fünf Minuten. Und Arnie brauchte im Terminator sogar noch eine Minute länger, um seine Umwelt mit wenigen Worten und viel Blei zu löchern. Dass die Handlung im Kino ausgewalzt wird wie Plätzchenteig, ist keine gefühlte Wahrheit, sondern bewiesen: Im Schnitt ist ein Blockbuster heute 24 Minuten länger als noch vor 20 Jahren.
Eigentlich müsste ich mich über die längeren Filme ja freuen. Wer mehr erzählen will, der braucht dafür eben Platz, das weiß ich als Schreiber nur zu gut. Trotzdem bin ich radikal dagegen. Ich wünsche mir den guten, alten, etwas eindimensionalen Bond zurück, und viele slicke 90-Minüter für den Kinoherbst 2015 gleich dazu. Denn bei 160 Minuten, da bekomme ich Probleme. Nicht geistig, sondern eher, nun ja, untenrum. Mit der Blase, trotz meines noch recht jugendlichen Alters. Ich trinke in warmen Kinosälen nämlich gerne ein kaltes Bier. Das wird in Halbliterflaschen angeboten, nicht in Martini-Gläsern, so wie das geschüttelt, aber nicht Gerührte. Nach der Werbung (die kommt ja auch noch dazu!), ist meine Flasche meist schon leer, ab dann stibitze ich ab und zu einen Schluck bei meiner Freundin. Und gucke erst entspannt, dann etwas angespannter, schließlich verkrampft, denn aufstehen und rausgehen mag ich nicht, das stört. Mein Kopf würde mehr Komplexität zwar durchaus aushalten, mein Körper aber eher nicht – und der tritt in dem Konflikt irgendwie bestimmter auf. Auch eine Art der inneren Zerrissenheit.
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