In Schale geschmissen

Ostereier dieses Jahr mal anders? Berühmte Kreative haben sie für das SZ-Magazin neu gestaltet – und zeigen, wie selbst ein Ei politisch sein kann.

Fotos: Sorin Morar, Collage: Lea Sophie Fetköter

Max Dudler

Dudler, 72, ist ­einer der bekanntesten Architekten im deutschsprachigen Raum.

Foto: Sorin Morar

Foto: Pascal Rohé

Ein Ei aus Tellern – Relikte eines Ostermahls des Schweizer Architekten und seiner Familie. Dudler fügte die Teller so zusammen, dass ein Ei entstand. Er wollte mit seiner Osterei-Neuinterpretation ein Ei schaffen, das vom Material bis zur Konstruktion ein Symbol für das Osterfest sein soll: für Familie, das Feiern, die Freundschaft und das Zusammensein.

Tobias Rehberger

Rehberger, 55, stellt derzeit im Kunstmuseum Stuttgart und im Museum of ­Modern Electronic Music in Frankfurt aus.

»Foto: Sorin Morar«

Foto: Barbara Rademacher

Der Frankfurter Bildhauer verhandelt bei seiner künstlerischen Neuinterpretation eines Ostereis die ganz großen Themen der Menschheit: das Ei als der Ursprung von allem, dem ­Leben, der Liebe. Seine Plastik eines Liebespaares im Bett ließ er aus dem 3-D-Drucker kommen, das Osterei liegt roh aufgeschlagen über den beiden. Damit das Eigelb genau an der Stelle liegt, wo es liegen soll, musste er Eigelb und Eiweiß erst trennen und dann wieder auf dem Bett zusammenführen. So ähnlich wie bei der Zeugung auch.

Stefan Marx

Arbeiten von Marx, 43, sind in der Ausstellung »Klasse Gesellschaft« bis 24. April in der Hamburger Kunsthalle zu sehen (mit Lars ­Eidinger).

Foto: Sorin Morar

Foto: Volker Renner

Der Berliner Zeichner und Künstler hatte bei früheren Projekten mit der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) zusammengearbeitet, also war der Weg zum Porzellan-Ei nicht weit. In deren ­Archiv sah er sich Porzellan-Ostereier vieler Jahrzehnte an und griff auf die Expertise zweier Porzellan­malerinnen zurück, die ihn auch anleiteten, mit goldener Farbe auf das Porzellan zu ­malen. So entstand sein ­Osterei, das eine ­Weltkugel zeigt.

Meistgelesen diese Woche:

Thomas Struth

Struth, 67, malte in seiner Auszeit ein Bild und dieses Ei. Das Bild ist bald in der Berliner Galerie Max Hetzler zu sehen, das Ei nur hier.

Foto: Sorin Morar

Foto: Atelier Thomas Struth/Vanessa Enders

Der Fotograf gestaltete sein Ei in einer Corona-Auszeit, als er für acht Monate in der Feldberger Seenlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern abtauchte. Er malte rote Buchstaben, das Alphabet von A bis Z, jeder Buchstabe mit dem nächs­ten verbunden, Anfang und Ende, alles auf einem Ei. Kurz überlegte er, es in Plexiglas einzugießen. Aber die Natur des Eis ist vergänglich – also landete es auf dem Kompost.

Liana Finck

Von Finck, 36, erscheint in den USA im April »Let There Be Light«, eine Adaption des Buches Genesis, aber mit weiblicher Gottheit.

Foto: Sorin Morar

Foto: M.Cooper

Die Cartoonistin von SZ-Magazin und The New Yorker beschäftigt sich bei ihrer Ei-Interpretation damit, wozu ein Ei eigentlich da ist – sich zu teilen. Ihre drei Eier ergeben zusammen ein ­eigenes Osterei-Werk. Eigentlich habe sie mit Ostereiern nicht viel zu tun, sagt sie, im ­jüdischen Glauben gibt es diesen Brauch nicht. »Aber ich mag Eier zum Essen, Vögel zum ­Ansehen und bin mir der Natur des Eis bewusst – das Objekt Nummer eins für Fruchtbarkeit und Reproduktion.«

Schorsch Kamerun

Kamerun, 58, Sänger der Punkband Die Goldenen Zitronen, schreibt Theaterstücke u. a. für die Berliner Volksbühne oder das Münchner Residenztheater.

Foto: Sorin Morar

Foto: Sandra Then-Friedrich

Das Ei des Punkmusikers, Theaterregisseurs und Autors befindet sich dauerhaft in Katastrophenstimmung. Zittern sollte das Ei: bunte, verknitterte Papierschnipsel mit zwei Edding-Augen und einem schreienden Mund. Neopopulismus, Allmachtsfantasien und Krieg in Europa haben es in den per­manenten Notzustand gebracht: ein hochpolitisches Ei.

Matteo Thun

Thun, 69, Architekt, hat seit 2020 auch ein Münchner Büro für den deutschsprachigen Raum. Er entwirft Hotels, Teppiche, Uhren, Toiletten.

Foto: Sorin Morar

Foto: Matteo Thun Atelier

Der Architekt ließ sich im Mailänder Museum ­Pinacoteca di Brera anregen: Dort hängt das Gemälde ­Madonna mit Kind mit Heiligen, Engeln und dem Stifter Federico da Montefeltro von Piero della Francesca. Auf dem Schoß der Madonna schläft das Jesuskind, und über ihnen hängt ein Ei. Etwa so wie das ausgepustete Hühnerei, das Thun an einer zarten Metallkette befestigte. Es soll für den Neubeginn stehen. Thun hat sein Werk L’attimo fuggente genannt: der flüchtige Augenblick.

GRAFT

Die Architektur-Popstars sind nicht nur wegen der Projekte für Brad Pitt weltbekannt: In Berlin, Peking, Los Angeles planen sie regelmäßig hochkarätige Bauten.

Foto: Sorin Morar

Foto: Mario Heller

Die Architekten von GRAFT wollten nicht weniger als das Henne-Ei-Problem lösen. Also zeichneten sie am Computer ein ­Hennen-Ei – ein Objekt, das Henne und Ei gleichzeitig sein soll – und druckten es per 3-D-Drucker aus. Es hat einen Kamm und einen Schnabel, aber den Körper eines Eis. »Es ist ein sehr seltsames Ei geworden«, sagt der Gründer von GRAFT, Lars ­Krückeberg. Manchmal muss man die Ambivalenz einfach Ambivalenz sein lassen.

Elvira Bach

Die Galerie Deschler in Berlin zeigte 2021 eine Rückschau zum 70. ­Geburtstag von Bach, in fünf Jahren ist eine weitere geplant.

Foto: Sorin Morar

Glaube, Liebe, Hoffnung: Diese Werte finden sich in allen Werken der Malerin, die in den Achtzigerjahren als Vertreterin der Neuen Wilden ­bekannt wurde. Nun sind Kreuz, Herz und Anker auch auf ihren drei Ostereiern zu sehen. Bemalt hat sie die Keramikeier mit Acrylfarbe. Sie sollen von Einsamkeit, Liebe, Heiterkeit, Angst und Stärke erzählen, von Leidenschaft, ­Hoffnung, Verzweiflung, ­Trauer und Glück – drei monumentale Eier.

Erik Spiekermann

Spiekermann, 74, ­Gestalter und Typograf, hat einige weltbekannte Schriften entwickelt, ­darunter die FF Meta.

Foto: Sorin Morar

Foto: Dennis Letbetter

Mancher Landwirt schwört, er könne jede seiner Hennen an ihrem Ei erkennen: Eier sind Unikate, und jede Henne hat ihr eigenes Design. Im Handel werden sie trotzdem streng kategorisiert, nach Größe, Gewicht, Farbe. In diesem Sinne hat der Berliner Typograf diese Druckvorlage gezeichnet. Damit bringt er nicht nur alle Menschen zu Ostern in die Lage, genau zu prüfen, was für ein Ei da im Nest liegt oder am Strauch hängt. »Wir beschweren uns ja gern über die Bürokratie«, sagt Spiekermann, »aber so wissen auch die Hennen genau, was sie legen sollen.«

Tim Eitel

Eitel, 51, zeigte in seiner jüngsten Ausstellung in der Berliner ­Galerie Eigen + Art ­Alltagsszenen aus der Pandemie, schnöde und intim zugleich.

Foto: Sorin Morar

Foto: Tim Eitel

Der Maler als ­Vertreter der sogenannten Neuen Leipziger Schule und malt Bilder, die Ruhe ausstrahlen. Für sein Osterei-Werk für das SZ-­Magazin zerschlug er ein ­Hühnerei, zerstieß die Schale und rieb sie fein. Das Pigment verrührte er so lange mit dem Eigelb und dem Eiweiß, bis eine buttrige Masse entstand. Ei ist eines der ältesten Bindemittel in der Malerei, so arbeiten Künstlerinnen und Künstler seit Jahrhunderten. Die Masse trug Eitel auf eine weiß grundierte Holzmaltafel auf, vom Ei ist nun nicht mehr viel zu sehen.