Thomas Vilgis ist Physiker am Max-Planck-Institut und forscht an den physikalischen Eigenschaften von Lebensmitteln:
»Das Anstechen des Eis senkt die Wahrscheinlichkeit, dass es platzt – aber eine Garantie dafür ist es nicht. Ob ein Ei beim Kochen platzt, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel dem Alter. Je älter ein Ei ist, desto größer wird die Luftblase im Inneren. Sie besteht aus Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid, die durch chemische Prozesse im Inneren des Eis während der Lagerung entstehen. Diese Gasblase dehnt sich beim Kochen aus und erhöht den Druck auf die Schale. Durch das Anstechen kann diese Luft entweichen, dadurch sinkt das Risiko des Platzens. Außerdem mindert das Einstichloch auch den Druck, der sich in der Schale selbst aufbaut, da auch sie sich durch Hitze ausdehnt. Einen optischen Vorteil bringt das Anstechen ebenfalls mit sich. Die Luft in der Blase drückt gegen das Eiweiß, wenn sie sich ausdehnt. Wird das Ei nach dem Kochen geschält, zeigt sich eine große Delle im Eiweiß. Diese wird durch das Anstechen kleiner, weil weniger Druck im Ei ist.
Generell sollte man das Ei an der breiteren Seite einstechen, dort befindet sich die Luftblase. Manchmal liegt sie allerdings auch etwas schräg, dann erwischt man sie vielleicht nicht. Oder das Ei platzt trotz Anstechen, einfach weil die Schale heterogener ist. Das hängt von der Hühnerrasse ab, von der Fütterung, von vielen biologischen Faktoren. Ein Argument gegen das Anstechen gibt es allerdings auch: Durch das Loch dringt Wasser ins Ei. Wenn man es länger lagern möchte, erhöht sich dadurch das Risiko, einer einsetzenden Gärung. Wenn man das Ei mehrere Wochen im Kühlschrank aufbewahren möchte, würde ich es deshalb nicht anstechen. Aber wenn es rasch gegessen wird, ist das kein Problem.«