Florian Stocker arbeitet als gelernter Metzger-Meister in der Bio-Metzgerei Stocker, die schon in der dritten Generation in Familienhand ist:
»Ob Fleisch zart oder zäh ist, liegt zum einen daran, ob es sich um ein Säugetier oder ein Geflügel handelt. Hühner oder Enten sind generell zarter als Rinder oder Schweine. Für die Textur muss auch innerhalb der Tiergruppe unterschieden werden: Um welches Rind, also Rasse und Geschlecht, handelt es sich? Ein weiterer Punkt: Wie viel Auslauf hatten die Tiere und was haben sie gefressen? Vor allem im Biobereich macht es sich bemerkbar, wenn die Tiere viel auf der Weide standen. Meist haben sie dadurch einen kräftigen Muskel und das Fleisch wird zäher.
Allgemein sollte Fleisch nicht direkt nach dem Schlachten verzehrt werden, denn zuerst setzt die Totenstarre ein. Während der Totenstarre ziehen sich die Muskeln zusammen und spannen sich an. Verantwortlich für das Zusammenziehen sind die Myofibrillen. Die kann man sich vorstellen wie kleine Gabeln, die nach dem Schlüssel-Schlossprinzip funktionieren. Für zartes Fleisch müssen diese voneinander getrennt werden. Im toten Muskel übernehmen das während der Reifung Eiweiß spaltende Enzyme, auch Proteasen genannt. Die verhärteten Muskelfibrillen werden aufgebrochen und das Fleisch wird wieder zart. Dementsprechend ist es wichtig, auf die richtige Fleischreifung zu achten. Je länger Fleisch gelagert wird, desto zarter ist es, weil die Enzyme dann länger arbeiten können. Besonders wichtig ist das bei Rindfleisch, da dort die Totenstarre bis zu drei Tage andauern kann. Deswegen sollte das Fleisch bis zu zwei Wochen gelagert werden.
Vor dem Kochen ist darauf zu achten, welches Teilstück zu welchem Gericht passt. Aus einem Gulaschstück sollte kein Steak gekocht werden. Gulasch wird aus einem festeren Muskel als zum Beispiel Filet hergestellt und wird nur durch den langen Garprozess zart. Um Fleisch allgemein während des Zubereitungsprozesses zart zu bekommen, gibt es verschiedene Tricks. Das Schnitzel wird geklopft, Gulasch wird lange gegart. Allgemein gilt: Je länger und schonender die Garmethode ist, desto zarter wird das Fleisch.
Ein besonderer Trick ist das Einlegen, wie wir es von Sauerbraten kennen: Der Essig greift durch die Säure die Muskelfasern an. Der Sauerbraten wird zart – das geht auch mit Buttermilch und Zitronensauce und hat den gleichen Effekt wie die Proteasen.«