Leonie Schwaiger arbeitet beim Verband für handwerkliche Milchverarbeitung als Fachberaterin für technologische und mikrobiologische Produktfehler:
»Löcher im Käse sind ein Blickfang und ein charakteristisches Merkmal einer Käsesorte. Es gibt große Unterschiede bezüglich der Anzahl, Größe und Verteilung der Löcher. Über die Entstehung entscheiden komplexe mikrobiologische Vorgänge im Käse, die auf den ersten Blick nicht zu erahnen sind.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Arten der Lochung: Bruchlochung und Gärlochung. Bei den typischen runden Löchern, die charakteristisch für Emmentaler sind, handelt es sich um eine Gärlochung. Verursacht werden die Löcher durch Mikroorganismen, die während der Reifung im Käse Kohlenstoffdioxid freisetzen. Da das Gas nicht entweichen kann, bleibt es in Form von Löchern im Käse enthalten. Die Bruchlochung zeichnet sich durch eine unregelmäßige, deutlich kleinere und schlitzartige Lochung aus. Diese entsteht beispielsweise bei Tilsiter. Allerdings nicht durch Mikroorganismen oder Gase, sondern durch die Art, wie der Käseteig abgefüllt wird: Vorsichtig geschichtet und nicht gepresst, sodass während des Abfüllens Luft eingeschlossen wird.
Zu Beginn läuft der Herstellungsvorgang bei jedem Käse aber erst einmal gleich ab: Der in der Milch enthaltene Milchzucker, wird mithilfe von Milchsäurebakterien in Milchsäure umgewandelt. Bei der Herstellung von Emmentaler, der sich durch eine große Lochung auszeichnet, werden der Rohmilch zusätzlich Propionsäurebakterien zugesetzt. Durch sie wird die Milchsäure unter anderem zu Kohlenstoffdioxid verstoffwechselt, welches sich anschließend freisetzt und die Löcher im Käse bildet. Bei Käse mit kleineren Löchern wie dem Gouda werden der Rohmilch andere Milchsäurebakterien, wie beispielsweise Leuconostoc oder bestimmte Lactococcus-Arten, zugesetzt. Diese verstoffwechseln nicht die Milchsäure, sondern die in der Milch natürlich enthaltene Zitronensäure (Citrat). Die Menge des Citrats ist begrenzt – somit werden grundsätzlich geringere Mengen Gas freigesetzt. Außerdem reift Gouda bei niedrigeren Temperaturen, wodurch die Bakterien weniger aktiv sind.
Denn am wichtigsten für die Entstehung der Löcher ist die Temperatur im Reiferaum: Höhere Temperaturen sorgen für eine höhere Aktivität der Bakterien, die wiederum die Lochbildung vorantreibt. Dieser Vorgang wird vor allem bei der industriellen Herstellung von Emmentaler eingesetzt. Je nach Art des Emmentalers liegt diese Temperatur zwischen 20 und 24 Grad. Nach etwa vier Wochen wird die Temperatur auf 12 Grad abgesenkt, um die Lochbildung zu stoppen. Der Käseteig muss zudem geschmeidig und dehnbar sein, damit er nicht reißt und das Gas sich nach außen absondert. Ein weiterer Faktor, der die Lochbildung im Käse beeinflusst, wurde erst vor knapp zehn Jahren entdeckt: Durch die Verwendung immer sauberer Milch, dank der modernen Melksysteme, entstand ein sogenannter ‘Löcherschwund’ im Käse. Forschende des Agroscope Institut für Lebensmittelwissenschaften fanden heraus, dass der Grund dafür das Fehlen mikroskopisch kleiner Heupartikel war, die während des Melkvorgangs in die Milch gelangen und sogenannte Lochansatzstellen im Käse schaffen. In der Industrie ist man deshalb teilweise dazu übergegangen, der Milch Heupulver hinzuzusetzen.«