Marc Albrecht-Seidel ist Geschäftsführer vom Verband für handwerkliche Milchverarbeitung. Der bundesweite Zusammenschluss von handwerklich arbeitenden Käsereien existiert seit 1992 und berät und schult Mitarbeitende in Käsereien. Dabei spielt in der Beratungspraxis auch die Frage nach der Essbarkeit von Rinde eine Rolle:
»Rinden gibt es im Grunde bei allen gereiften Käsen. Sie entstehen als Schutz des Käses, da das Eiweiß und das Fett, aus dem der Käse besteht, bei der Käsereifung anfangen zu schimmeln. Es gibt drei Arten von Rinden. Das eine ist die klassische Schimmelrinde. Die wird in aller Regel mitgegessen, Beispiel dafür wäre Camembert oder Brie, die haben auf der Oberfläche natürlichen Schimmel und das ist gleichzeitig die Rinde. Man kann sie auch wegschneiden, wenn sie zu intensiv schmeckt.
Die zweite Gruppe, die klassischen Trockenrindenkäse, hat man eher in Südeuropa als in Deutschland, das sind Käse wie Manchego oder Tomme de Savoie. Die haben eine rustikale Oberfläche, die Käse werden relativ trocken gelagert und der Schimmel, der sich entwickelt, wird im Reifeprozess mit einem Tuch oder einer Bürste heruntergerieben. Diese Rinde würden die meisten wahrscheinlich wegschneiden. Aber: Es können keine Pilzgifte gebildet werden, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, von daher kann man nach Geschmack entscheiden.
Es gibt eine dritte Rinde, die haben wir bei Bergkäse oder Gruyère und bei Schnittkäsen, da wird die Rinde regelmäßig abgewaschen und es entwickelt sich eine rote Schmiere. Dieser Käse wird daher auch Rotschmierkäse genannt. Er ist sehr verbreitet in den deutschsprachigen Ländern und im alpinen Raum. Die Bakterien auf der Oberfläche dieser Rinde sind auch unproblematisch und man kann sie prinzipiell mitessen.
Wenn die Rinde mit Stoffen wie Plastik oder Coating – ein Plastik aus Milcheiweiß, das mit einem Schwamm aufgetragen wird – oder Paraffinwachs wie bei Baby Bel behandelt wurde, dann eignet sie sich nicht zum Verzehr. Aus dem Grunde, dass der Stoff selbst nicht verzehrbar ist und weil die Stoffe geringfügig in die Rinde eindringen können. Beim Einsatz von Konservierungsstoffen, wie Natamycin, die zum Hemmen des Schimmelwachstums genutzt werden, erlaubt der Gesetzgeber den Verzehr der Rinde. Zu empfehlen ist es nicht, da Konservierungsstoffe, die in der Humanmedizin als Therapeutikum eingesetzt werden, nicht regelmäßig konsumiert werden sollen. Beim Einsatz von Konservierungsstoffen muss auf dem Etikett oder mit einem Schild bei dem Produkt hingewiesen werden. Wenn nichts gekennzeichnet ist, kann man davon ausgehen, dass die Rinde nicht behandelt wurde und dann ist sie – je nach Gusto – durchaus verzehrfähig.
Insofern ist Rinde, solang sie nicht mit Plastik oder Konservierungsstoffen behandelt wurde, immer essbar, da sie aus der gleichen Substanz besteht, wie der Käse im Inneren. Der Rindenbereich reagiert im Gegensatz zum Inneren mit Sauerstoff, wodurch mehr Schimmel und Bakterien wachsen. Dadurch ist die Rinde aromatischer als das Käseinnere. Es gibt Kunden, die das mögen und die Rinde nicht wegwerfen und es gibt sogar Rezepte, bei denen die Rinde explizit genutzt wird. Das ist letztlich immer die Entscheidung des Verbrauchers.«