Schadet Kindern mit Alkohol zubereitetes Essen?

Er verdampft doch sowieso beim Kochen! Warum das ein Mythos ist und für Kinder bereits der Geschmack problematisch sein kann, erklärt eine Expertin.

Illustration: Ryan Gillet

Dr. Annette Weber ist Oecotrophologin und Ernährungstherapeutin für Kinder und Jugendliche:

»Die meisten Menschen gehen davon aus, dass Alkohol während dem Kochen ohnehin vollständig verdampft. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, da dabei mehrere Faktoren eine Rolle spielen. So hat reiner Alkohol, also Ethanol, mit 78 Grad zwar einen vergleichsweise niedrigen Siedepunkt, andere Stoffe wie Wasser oder Fett beeinflussen diesen aber. Wie eine Studie der Universität Idaho feststellte, enthält ein Schmorbraten mit Rotwein nach zweieinhalb Stunden noch immer vier Prozent Alkohol. Würde man das Gericht noch länger garen, würde sich vermutlich irgendwann kein Alkohol mehr darin befinden, eine Garantie gibt es aber nicht. Ein weiterer Aspekt ist das Kochen mit oder ohne Deckel: Geschlossen sammelt sich die verdampfte Flüssigkeit an der Innenseite des Deckels und fließt zurück in den Topf, anstatt an die Umgebungsluft abgegeben zu werden. So verdampft der Alkohol noch langsamer. Selbstverständlich ist auch die hinzugegebene Menge ausschlaggebend sowie weitere Faktoren, zum Beispiel wie häufig das Gericht umgerührt wird.

Abgesehen davon, dass Alkoholkonsum auch für Erwachsene nicht ohne gesundheitliches Risiko möglich ist, schadet er Kindern aufgrund ihres geringen Körpergewichts und der Fähigkeit weniger Alkohol abzubauen, umso mehr. Wenn Kinder mitessen, sollte man beim Kochen deshalb am besten vollständig auf die Zugabe von Alkohol verzichten. Aber nicht nur der Alkoholgehalt ist dafür ausschlaggebend, sondern auch der typische Geschmack von alkoholhaltigen Getränken. Wenn Kinder diesem zu oft ausgesetzt sind, erzeugt das einen Gewöhnungseffekt, sodass ihnen beispielsweise der Geschmack von Rotwein schon sehr früh vertraut ist und somit die Hemmschwelle für späteren Alkoholkonsum gesenkt wird. Wer nicht auf den typischen Geschmack von Rot- oder Weißwein verzichten möchte, kann zu alkoholfreien Alternativen greifen wie zu weißem und rotem Traubensaft, Balsamicoessig oder Sauerkirschsaft. Auch Schokolade oder Gewürze wie Zimt, Vanille, Nelken und Lorbeerblättern können je nach Gericht ein guter Ersatz sein.

Außerdem sollten Eltern auch beim Kauf von Fertigprodukten genauer hinschauen, denn in vielen Lebensmitteln, besonders Süßspeisen, wie Schokoladeneis, Cremeschnitten oder Roter Grütze, verstecken sich häufig geringe Mengen Wein oder Likör. Wenn das Gericht einen Alkoholgehalt von weniger als 0,5 Prozent aufweist, muss das allerdings nicht gesondert gekennzeichnet, sondern nur in der Zutatenliste aufgeführt werden.«