Dr. Markus Fohr ist Biersommelier, Geschäftsführer der Lahnsteiner Brauerei und seit kurzem Präsidiumsmitglied des Verbands der Diplom-Biersommeliers:
»Bier hat schon immer Menschen verbunden und durch gemeinsame Rituale entsteht Zusammenhalt in der Gruppe. Ein solches Ritual – oder auch Brauch – stellt das Absetzen des Bierkruges nach dem Anstoßen dar. Eine eindeutige Erklärung, woher der Brauch stammt und seit wann er existiert, gibt es nicht. Da das Bier die Menschen bereits begleitet, seit sie vor 13.000 Jahren sesshaft wurden, tauchen in seiner Geschichte immer wieder verschiedene Mythen und Bräuche auf. Am plausibelsten erscheint jedoch die Erklärung, die mit dem Anstoßen zusammenhängt. So sollte ein Teil des Bieres in die Krüge der Tischnachbarn überschwappen, damit sich jeder der Anwesenden sicher sein konnte, dass der Inhalt des eigenen Krugs nicht vergiftet wurde. In diesem Fall erklärt sich ein anschließendes Absetzen des Krugs dadurch, dass man das übergeschwappte Bier am Tisch oder dem Bierdeckel abwischen wollte.«
Ein weiterer Mythos zum Absetzen des Kruges: Adelige oder höhergestellte Personen setzten den Krug ab, um ihren Status innerhalb der Tischgesellschaft zu verdeutlichen. Damit wollten sie zeigen: 'Ich stoße mit euch an, stehe aber dennoch über euch.' Genauso könnte es aber auch ein Zeichen der Wertschätzung gewesen sein. Beispielsweise, um den anderen Gästen am Tisch vor dem Trinken anerkennend in die Augen zu schauen, dem Braumeister seinen Respekt zu zollen oder für einen kurzen Moment verstorbenen Seefahrer-Kollegen zu gedenken.
Für das Absetzen vor dem Anstoßen existiert zudem die Theorie, dass man den Krug so in eine handlichere Position brachte, um sich beim Anstoßen nicht die Finger einzuklemmen. Das würde auch heute noch eine praktische Erklärung liefern, warum der Brauch sich gehalten hat.
Von wann genau diese Mythen stammen, lässt sich nicht genau datieren. Allerdings ist es erst seit dem 17. Jahrhundert üblich, dass jeder aus seinem eigenen Gefäß trinkt. Vorher benutzten alle Besucher einer Gaststätte gemeinsam einen Krug. So kann zumindest das Anstoßen als Brauch vorher nicht existiert haben. Das Absetzen könnte allerdings bei einem gemeinschaftlichen Gefäß, beispielsweise beim Herumreichen von diesem, ebenfalls üblich gewesen sein.«