Michele Bachmann:
Kinder: fünf; 23 Pflegekinder
Amt: Präsidentschaftskandidatin
Lieblingswaffe: Die Bibel. Und viel Geld
Bester Satz: »Kinder sollen in einer normalen Familie aufwachsen, in der die Frau dem Mann das Abendessen kocht.«
Ann-Marie Buerkle:
Kinder: sechs
Amt: Kongressabgeordnete aus New York
Lieblingswaffe: Eiskaltes Lächeln
Bester Satz: »Ich habe sechs Kinder. Gibt es einen besseren Beweis, dass ich gegen Abtreibung bin?«
Sarah Palin:
Kinder: fünf
Amt: Exgouverneurin von Alaska
Lieblingswaffe: Sturmgewehr
Bester Satz: »Eine Mutter weiß am besten, was unser Land braucht.«
Sarah Steelman
(Foto: AP / Nick King)
Sarah Steelman kauft ihrem Sohn Michael ein Gewehr zum Geburtstag, und alle sollen es sehen. Steelman will Gouverneurin von Missouri werden und hat Journalisten mitgenommen in den Waffenladen, ihr Wahlkampf braucht solche Bilder: »Jedes meiner Kinder sollte eine Waffe besitzen, um sich zu verteidigen«, erklärte die dreifache Mutter den Reportern.
Frauen wie Steelman, konservative Vielfachmütter mit Hang zu Waffen und Krawallrhetorik, stehen plötzlich so selbstverständlich da, als hätte es sie in der Geschichte Amerikas immer schon gegeben: Ann Marie Buerkle, sechs Kinder, aus New York, will alle staatlichen Zuschüsse für Abtreibungskliniken streichen. Sharron Angle aus Nevada, drei Kinder, kandidiert für das Repräsentantenhaus und will das Bildungsministerium abschaffen, weil Kinder am besten zu Hause unterrichtet werden sollten. Das Argument aller drei Frauen: Als Mütter wüssten sie schon, was für das Land am besten sei. Im Gepäck: Scharen von Bloggerinnen und Tea-Party-Aktivistinnen, die die Öffentlichkeit wachrütteln: Schaut her, sie hat sechs Kinder, dann schafft sie auch das Haushaltsdefizit! Einen Kampfnamen gibt es bereits: »Grizzly Moms«. Weil diese Frauen wie Bärenmütter alles bekämpfen, von dem sie denken, es könnte ihren Kindern schaden: laxe Waffengesetze, hohe Steuern oder Pornohefte an der Tankstelle. Noch haben es die meisten dieser Supermütter nicht in die Mitte der politischen Aufmerksamkeit geschafft. Aber sie sind laut. Und sie werden mehr.
Sarah Palin, Jägerin, fünf Kinder, ist natürlich die Heldin der Grizzly Moms. Die ehemalige Gouverneurin von Alaska hat den Begriff erfunden, er ist ihr Markenzeichen geworden, es gibt Aufkleber und T-Shirts damit. Palin unterstützt befreundete Politikerinnen im Wahlkampf, indem sie ihnen die Bezeichnung Grizzly Mom als Ehrentitel verleiht und immer wieder klarstellt: Wer sich um eine Familie kümmern kann, sollte sich auch um Amerika kümmern. Viele dieser Frauen sehen auch aus wie Palin, mit Kostüm, Haarspray, viel Make-up und zementiertem Lächeln. Die meisten von ihnen unterstützen die Waffenlobby NRA und pflegen eine Sprache zwischen Marktschreier und Sektenprediger. Von ihren Männern reden sie übrigens selten, nur die Kinder kommen mit auf die Wahlkampfbühne.
Susan Carroll, Professorin der Rutgers-Universität in New Jersey, forscht über die Rolle von Müttern in der Politik. Sie sagt: »Kinder sind in den letzten Jahren für Frauen zu einem wichtigen politischen Accessoire geworden.« Bisher waren es fast nur Männer, die sich mit Kindern in Szene gesetzt haben – als vertrauenswürdige Väter, mit einer Familie und einer Ehefrau, die ihnen den Rücken freihielt.
Für die Frauen hatten die konservativen Parteien lange Jahre nur eine Rolle vorgesehen: Sie waren für die Kinder zuständig und hatten keine Zeit, sich um Politik zu kümmern, außerdem überließen sie so etwas Kompliziertes ohnehin lieber ihren Männern. Das hat sich erst grundlegend geändert, seit Sarah Palin mit ihrem Neugeborenen auf Wahlkampftour gegangen ist. »Seitdem gilt es als Zeichen weiblicher Durchsetzungskraft, wenn man viele Kinder hat, weil es zeigt, dass eine Frau einen großen Haushalt organisieren kann.«
Die Mutter als Herrscherin über Haus und Hof – klingt das nicht ganz schön nach vorletztem Jahrhundert? Kann schon sein, meint Carroll. Aber es funktioniert. Denn die Grizzly Moms erreichen eine wichtige Zielgruppe: die konservative Mittelschicht, die früher am liebsten Generäle oder Wirtschaftsbosse gewählt hat. Männer, die bereit waren, Verantwortung zu übernehmen, für ihre Truppe, ihre Angestellten – oder Amerika. Aber deren Strahlkraft ist nach Afghanistan-Debakel und Börsencrash rapide verglüht. Nun stehen die Grizzly Moms bereit und rufen: Ist eine große Familie nicht wie ein Staat im Kleinen? Ist nicht jemand, der das Herz am rechten Fleck und viel praktischen Verstand hat, besser in der Lage, die schwierigen Probleme zu lösen als diese linken Spintisierer, die eh keiner versteht?
Genau auf diesem Terrain ist Michele Bachmann nicht zu schlagen. Bachmann, 55, Sportschützin, Anwältin und Abgeordnete aus Minnesota, kümmert sich um zwei Söhne, drei Töchter und betreute im Lauf der Jahre 23 Pflegekinder. Wie sie das macht, möchte man sie gern fragen, aber dazu will sie keine Interviews geben. Sie ist eine mögliche Kandidatin der Republikaner für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr und damit der Star der Grizzly Moms. Ihre Lebensgeschichte aus Mutterschaft, Glauben sowie Hetze gegen Homosexuellenehe und Klimaschutz (»Antikapitalistische Verschwörung«) haben ihr vergangenes Jahr mehr als 13 Millionen Dollar Wahlkampfspenden gebracht, mehr als jedem anderen Kandidaten im amerikanischen Kongress. In den Umfragen zu den Vorwahlen um die Präsidentschaft hat sie Donald Trump hinter sich gelassen, und vom Time Magazine wurde sie Ende April zu einer der hundert wichtigsten Personen des Jahres gekürt. Mütter, sagt sie immer, können mehr Verantwortung übernehmen als alle anderen.
Ihre Parteikollegin Sarah Steelman hat die Wahl zur Gouverneurin übrigens verloren, trotz der Show mit der Flinte als Geburtstagsgeschenk. Vielleicht haben ihr die Wähler die Rolle als verantwortungsbewusste Mutter nicht recht abgenommen: Ihr Sohn, dem sie das Gewehr zum Geburtstag geschenkt hat, ist erst 13. Nun hat sie ein neues Ziel: Nächstes Jahr kandidiert Steelman für den amerikanischen Senat.
Fotos: AP, Reuter, Columbia Daily Tribune