Literarisches Goldmädchen

Interviews mit Menschen, die wir gut finden. Diese Woche: Eleanor Cotton, die mit 22 Jahren Bestseller schreibt.  

Respekt, Frau Catton, Sie haben mit 22 Jahren einen internationalen Bestseller geschrieben, Die Anatomie des Erwachens. Die Times erhob Sie sogar zum »Goldmädchen der Literatur«.

Eleanor Catton: Ich hatte viel Glück – das Buch war gerade erst in Neuseeland erschienen, als mir ein Literaturagent aus London anbot, mich zu vertreten. Dass der mich ansprach, eine junge Autorin aus Neuseeland, und nicht umgekehrt, erstaunt mich immer noch. Jetzt bin ich natürlich gern ein Botschafter unseres kleinen Landes. In wie viele Sprachen wurde Die Anatomie des Erwachens bisher übersetzt? In wie vielen Bestsellerlisten steht es inzwischen?
Mit Deutschland sind es jetzt 15 Länder. Dass es nun auch nach Kanada verkauft wurde, freut mich ungemein; ich bin dort geboren. Die Plätze in den Bestsellerlisten verfolge ich gar nicht. Ich lese auch nur mehr selten Rezensionen. Mit dem Buch habe ich irgendwie abgeschlossen, überlasse es seinem Eigenleben und versuche mich auf neue Dinge zu konzentrieren.

Ihr Buch handelt von der Affäre einer 17-jährigen Schülerin mit ihrem Musiklehrer und den verschiedenen Versionen, die an der Highschool darüber kursieren. Müssen junge Autorinnen über Sex schreiben, um Gehör zu finden bei einem breiten älteren Publikum?
Interessante Frage, da wäre ich mir nicht so sicher. Ich habe aber nicht an die Gesetze des Buchmarkts gedacht, als ich den Roman schrieb. Ich hatte nicht einmal einen bestimmten Leser im Sinn.

Meistgelesen diese Woche:

Es heißt, Ihr Roman offenbare, wie anders Ihre Generation mit dem Thema Sexualität umgeht als frühere.
Meine Generation wuchs in einer Welt auf, die von Bildern übersättigt ist; der Einfluss des Internets ist unermesslich, es hat unser Selbstverständnis, unsere Werte und Schönheitsideale völlig verändert, auch die Art, wie wir uns selbst online anpreisen und unser Image formen.

Die Frage, die jeder Schriftsteller fürchtet: Wie autobiografisch ist Ihr Roman?
Überhaupt nicht. Auf meiner Highschool gab es nicht einmal einen Sexskandal, obwohl ich ihn wahrscheinlich sehr aufgeregt verfolgt hätte, wenn es einen gegeben hätte.

Haben Sie den zweiten Roman schon begonnen?
Für Die Anatomie des Erwachens hatte ich mich in Georges Bataille eingelesen. In dieser Vorbereitungsphase bin ich jetzt für mein zweites Buch, für das C. G. Jung sehr wichtig werden wird – in den habe ich mich in den letzten Monaten verliebt.

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Eleanor Cattons Buch Die Anatomie des Erwachens wurde von der New Zealand Society of Authors als bester Roman 2009 ausgezeichnet und ist soeben auf Deutsch im Arche-Verlag erschienen.