Die Oberarme drücken sich eng an den nackten Busen, sodass er voller wirkt. Die Vierteldrehung in der Hüfte lässt Taille und Becken (noch) schmaler wirken. Den auffordernden und zugleich Schutzbedürftigkeit vortäuschenden Augenaufschlag hat sie drauf wie früher. Seht mich an, sagt ihr Blick, bin ich nicht immer noch besser als alle, die nach mir gekommen sind?
Mit 39 zitiert sich Claudia Schiffer in dieser neuen Bilderserie selbst: Weil es so schön war, führt sie noch einmal die Körpersprache des Pin-ups vor, die sie vor rund 20 Jahren ins Bewusstsein der Welt katapultierte. Als Werbefigur für die Jeansmarke Guess ließ sie sich damals zurechtmachen wie die Tochter, die Brigitte Bardot nie hatte: ein Weltklasse-Schmollmund, eine blonde Mähne, mädchenhafte Schlankheit bei sagenhaften Kurven. Das begründete den Mythos Schiffer und eine lange Karriere als atemberaubender Männertraum. Frauen sehen sich die Fotos naturgemäß mit einem anderen Erkenntnis-interesse an, als Männer es tun. Weil sie aus der Fachliteratur wie InStyle und Cosmopolitan die meisten Tricks zumindest in der Theorie kennen, überwiegt bei ihnen das sportliche Interesse. Sie vergleichen sich mit ihr, fragen sich, wie die berühmte Schwester es schafft, so auszusehen, dass niemand auf die Idee käme, sie sei praktisch 40.
Weil dieser Geburtstag aber tatsächlich bevorsteht, kann man nicht an
sich halten, nach Spuren des Alterns an diesem begnadeten Körper zu suchen. Nach Indizien dafür, dass zumindest heute Details an Claudia Schiffer identifizierbar sind, die man in ihrer ganzen Unliebsamkeit mit ihr teilen könnte. Man fahndet allerdings wider besseres Wissen nach diesen Gemeinsamkeiten: Denn Modefotos haben natürlich seit Langem nur noch entfernte Ähnlichkeit mit der Natur. In den vergangenen 20 Jahren hat die digitale Bildbearbeitung, die Retusche von Fotos am Computer, die Fotografie gekidnappt.
Claudia Schiffer wendet sich gegen die Künstlichkeit dieser Inszenierungen. Sie ist bekennende Botox-Abstinenzlerin – dafür spricht auch die Tatsache, dass sie sich einen langen Pony zugelegt hat, mit dem sich Stirnfalten sehr gut kaschieren lassen. Und auch ihre neuen Fotos unterstützen die Abkehr von digitalen Fantastereien: Linien im Gesicht sind erkennbar, die Lachfalten sichtbar, die Haut war schon mal glatter, so als habe die kleine Tochter sie in der Nacht vor den Aufnahmen öfter aus dem Bett geholt.
Im Umfeld ihres Fotografen Luis Sanchis wird die Parole ausgegeben, die Bilder seien unbearbeitet. Das glaube, wer mag. Auch jetzt ist da weit und breit kein geplatztes Äderchen, kein Augenring oder Pickel sichtbar. Vermutlich würde das auch keiner sehen wollen. Aber es ist erkennbar, dass Claudia nicht mehr 20 ist, und wenn sie posiert, dann scheint ein Quantum Ironie durch, ein Spiel mit sich selbst und der Rolle, die sie für ihr Publikum gibt.
Heute ist sie, nach der Geburt ihrer beiden Kinder, wieder gut im Geschäft. Diese Entwicklung könnte etwas damit zu tun haben, dass sie als äußerst diszipliniert und geschäftstüchtig gilt, ihre Regeln selbst macht, gesund lebt und gern früh schlafen geht. Dafür wurde sie einst belächelt. Jetzt lacht Claudia Schiffer sehr entspannt zurück. Ihre Biografie wirkt wie ein ganz nachahmenswerter Plan, um bildschön älter zu werden. Und natürlich rechnen wir in ein paar Jahren mit einer Anti-Aging-Kosmetikserie und einer TV-Show.
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Anne Urbauer blickt auf zwei markante Begegnungen mit Claudia Schiffer zurück:
die erste Ende der Achtziger, bei der Zeitschrift Tempo, als das damals noch unbekannte Model für den Titel fotografiert wurde und "einige Jungs in der Redaktion förmlich ausflippten". Vor vier Jahren dann lernte sie Claudia Schiffer bei einem Interview kennen, "eine zurückhaltende Frau, die erzählte, dass sie noch lange nach ihrem Durchbruch dachte, sie hätte kein Talent zum Modeln".
Fotos: Luis Sanchis/Shotview Photographers; Styling: Yasmine Eslami/Shotview Photographers; Fotoassistent: Justin Hollar; Haare: Raphaello @ Streeters; Make-up: Gina Kane @ Caren; Studio: Big Sky; Studio Assistent: Amie Norris; Casting: Shotview Photographers Mngt; Produktion: Shotview Photographers Mngt; besonderen Dank an Carla Williams.
Anne Urbauer (Text)