»Die Leute denken, Liebesgedichte seien ein Haufen blumiger Quatsch. Sind sie nicht«

Der Star aus »127 Hours«, der Gastgeber der Oscars: James Franco ist der Mann der Stunde. Jetzt zeigt er auch noch eine überraschende Seite: Er weiß ganz schön Bescheid über Literatur.

Herr Franco, Sie studieren Anglistik und machen gerade Ihren Master in Poetik. Also würden wir mit Ihnen gern über Literatur reden – in Ordnung?
In Ordnung. Ich besuche zum Beispiel gerade einen Kurs über Lord Byron, Percy Shelley und William Butler Yeats.

Die großen Romantiker der englischen Literatur.
Ja, Byrons berühmtestes Gedicht, Sie schreitet in Schönheit, haben wir schon durchgenommen.

Können Sie uns erklären, was Ihnen daran gefällt?
Ich kann das Gedicht nicht auswendig, aber es müsste ungefähr so anfangen: »Sie schreitet in Schönheit, wie die Nacht / bei wolkenlosen Atmosphären / und sternklaren Himmeln«. Die Zeilen laufen schön, aber sie sind irgendwie merkwürdig. Was will er damit sagen: dass sie schön ist wie die Nacht? Oder dass sie schreitet wie die Nacht? Ich habe eigentlich keine Erklärung dafür, warum es sein berühmtestes Gedicht ist, aber es ist echt schön.

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Haben Sie selbst schon Liebesgedichte geschrieben?
Ja, aber es sind schon so viele schlechte Liebesgedichte geschrieben worden, dass es mir etwas peinlich ist, das zuzugeben. Die Leute denken sofort, Liebesgedichte seien ein Haufen blumiger Quatsch. Sind sie nicht!

Sie selbst sind aber zufrieden mit Ihren Gedichten, ja?
Ich schreibe eigentlich mehr Prosa, es ist so schwer zu lernen, wie man ein gutes Gedicht schreibt. Gerade wenn man in der Highschool damit anfängt. Da geht es nur um Gefühle, nicht darum, wie man den Gefühlen eine Struktur gibt, die sie richtig rüberbringt. Man kann sich natürlich fragen, ob sich die Mühe überhaupt lohnt, ein Gedicht zu schreiben. Durch das Internet haben Worte ziemlich an Gewicht verloren. Aber manchmal haben die richtigen Worte eine unglaubliche Wirkung. Sieht man an den Gedichten von Tony Hoagland oder C. K. Williams, die ich beide liebe.

Wer schreibt die besten Gedichte über Frauen?
Charles Bukowski ist nicht übel. Ich glaube, er hatte einiges über Frauen zu sagen. An Universitäten ist er nicht besonders hoch angesehen, aber er hatte Humor. Einer der lustigsten Schreiber, die ich kenne. Und es ist verdammt schwer, in Gedichten lustig zu sein. Nehmen Sie diesen Satz von ihm: »Wenn eine scharfe Frau auf einen Einsiedler trifft, wird sich einer von beiden verändern.« Dafür mag ich ihn.

Wer schreibt sonst gut über Frauen?

Da fällt mir ein ganz anderer Typ ein – der Schriftsteller Richard Yates. Sein bekanntestes Buch ist vielleicht Zeiten des Aufruhrs, aber ich denke vor allem an Easter Parade, das vom Leben zweier Schwestern handelt. Ein sehr, sehr trauriges Buch.

Was macht Yates richtig?
Die Gefühle der Schwestern wirken authentisch. Man glaubt ihm. Ein Mann, der so viel Mitgefühl mit Frauen hat und ihre inneren Kämpfe versteht, ist ein besonderer Schriftsteller. Und ein ziemlicher Einzelfall. Oft werden Frauen von männlichen Schriftstellern auf ein Podest gestellt.

Oder sie werden als unnahbare Zicken gezeigt. Hat Ernest Hemingway gern gemacht.
Ja, zwischen ihm und den Frauen in seinen Texten bleibt immer eine Distanz. Genauso übrigens bei William Faulkner.

Den müssten Sie aber mögen. Es war zu lesen, dass Sie die Rechte an seinem Buch Als ich im Sterben lag gekauft haben, um es zu verfilmen.

Ja, er ist einer meiner Lieblingsschriftsteller. Bei Faulkner verzehrt sich immer irgendein Mann nach den Frauen, aber sie sind nur schwer zu fassen. Wissen Sie, Faulkner war in der Highschool in ein Mädchen verliebt, aber die heiratete dann einen anderen Mann, mit dem sie zwei Kinder bekam. Am Ende ließ sie sich von ihm scheiden und heiratete Faulkner doch noch. Der Mann verbrachte den Großteil seines Lebens damit, eine Frau zu vergöttern, die er nicht haben konnte!

Eine ähnliche Geschichte hat F. Scott Fitzgerald. Auch er wollte eine Frau, die er nicht haben konnte.

Und daraus ist Der große Gatsby entstanden. Fitzgerald hatte echte Erfahrung darin, sich nach einer Frau zu sehnen. Seine spätere Frau Zelda lehnte ihn erst ab. Als dann der Erfolg kam, gab sie nach und heiratete ihn. Das Tragische ist: Sowohl Faulkners als auch Fitzgeralds Ehefrau wurden wahnsinnig.

Entsteht große Literatur über Frauen am ehesten dann, wenn der Autor sie nicht haben kann?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Sehen Sie sich die Frau von James Joyce an, Nora. Sie war ziemlich loyal. Ihr Eheleben war ereignislos, die beiden waren einander ergeben. Sein Schreiben hat das nicht beeinflusst.

Aber sie hat ihn inspiriert, oder?
Es gibt sogar ein konkretes Beispiel. Die beiden haben sich an einem 16. Juni kennengelernt. Und an diesem Tag spielt die Geschichte von Ulysses.

Wie wäre es, wenn wir unser Gespräch mit einem lebenden Autor beenden? James Salter beschreibt in Ein Spiel und ein Zeitvertreib sehr schön das Verhältnis von Männern zu Frauen.
Von dem habe ich nicht viel gelesen, aber ich habe ihn mal kennengelernt! Er war nicht gerade beeindruckt von mir. Der Schriftsteller Dave Eggers stellte mich ihm vor: »Das ist James, er macht in den Spider-Man-Filmen mit.« Salter sagte bloß: »Tja, einer muss es wohl machen.«

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