Aloe Blacc, ist 2011 ein gutes Jahr, um ein Soulsänger zu sein?
Ich denke schon. Ich komme viel rum und singe überall meine Lieder.
Im Vergleich zu den Sechzigern und Siebzigern, als viele Soulsänger an der Spitze der Charts standen, ist Soulmusik heute eher eine Underground-Kultur, oder?
Ja, stimmt. Das liegt daran, dass so viel andere Musik auf dem Markt ist. Außerdem wollen viele junge Leute nicht die Songs hören, die schon ihre Eltern gehört haben. Soul ist heute klassische, vielleicht auch ein bisschen altmodische Musik, aber ich finde sie weiterhin relevant.
Was sind Ihrer Meinung nach die drei besten Soul-LPs aller Zeiten?
Nummer eins kommt von einem nicht besonders bekannten Künstler namens DJ Rogers. Die Platte heißt It’s Good To Be Alive . Das ist eine meiner Lieblingsplatten, die habe ich rauf und runter gehört.
On The Road Again ist das einzige Album, das ich von DJ Rogers kenne.
Das ist auch gut, aber It’s Good To Be Alive ist besser. Nummer zwei auf meiner Liste ist das Album Extensions Of A Man von Donny Hathaway. Und Nummer drei, das wäre ein Unentschieden zwischen What’s Going On von Marvin Gaye und Innervisions von Stevie Wonder.
Für Ihr Album Good Things haben Sie sich nicht nur vom Inhalt der alten Soulplatten inspirieren lassen, sondern auch von deren Klang.
Good Things begann damit, dass wir Bass und Schlagzeug auf Zwei-Zoll-Band aufgenommen haben – Tonband kann die Bassfrequenzen besser einfangen als jedes digitale Gerät. Den Rest haben auch wir dann aber digital aufgenommen, mit Equipment, das den Sound alter Geräte nachempfindet. Ich denke aber, dass es nichts bringt, wenn man versucht, den Sound der alten Platten zu kopieren. Besser ist es, sich zwar inspirieren zu lassen, aber dennoch nach einem eigenen Sound zu suchen. Ich denke, für mein nächstes Album werde ich einen sauberen Soulsound anpeilen, in der Art von Barry White. Seine Aufnahmen sind wirklich makellos.
Besonders beeindruckend finde ich Barry Whites Streicherklang.
Genau! Ich glaube, bei ihm musste alles so sauber sein, damit man die Streicher vernünftig hört. Wenn man weiß, wie man Streicher aufnehmen muss, kann man alles aufnehmen.
Ihre Produzenten Leon Michaels und Jeff Silvermann sind aber schon ziemliche Klangfanatiker, oder?
Der Klang ist ihnen auf jeden Fall wichtig. Sie mögen alles, was rau und erdig klingt. Aber sie sind keine Tüftler. Die Arbeit mit Songs und Künstlern ist ihnen wichtiger als das ewige Gefummel an irgendwelchen Geräten.
»HipHop ist heute leider sehr eindimensionale Musik. Es wäre an der Zeit, dass jemand neue Ideen hineinbringt, dem Stil neue emotionale Schattierungen verleiht«
Sagen Sie noch ein paar Worte zu der Band, die Sie auf dem Album begleitet. Der Bassist Nick Movshon und der Drummer Homer Steinweiss sind ja wohl zwei Musiker der Extraklasse!
Ja, genau wie der Gitarrist Tommy Brenneck. Mit solchen Leuten hinter dir kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Good Things ist schon seit ein paar Monaten draußen. Wie ist es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen?
Ich bin durch die USA getourt, durch Europa, Australien, Neuseeland. Ich habe in Japan gespielt, bald fahre ich nach Brasilien. Mein Endruck ist, dass meine Musik bei älteren Fans ankommt, die nach etwas gehaltvollerer Musik suchen, dass der Sound aber auch knackig genug ist, um junge Leute anzusprechen. Ich habe schon Dreijährige gehört, die »I Need A Dollar« gesungen haben.
Viele Leute waren überrascht, dass Sie einen Song für Lena Meyer-Landrut geschrieben haben. Wie kam es dazu?
Unser gemeinsames Label Universal Music hat uns zusammengebracht. Wir haben uns getroffen und über Musik gesprochen – was sie mag, was sie gerne singen würde. Das war sehr erhellend. Also habe ich mich hingesetzt und einen Song geschrieben, vom dem ich dachte, dass er reflektiert, was sie gerade durchmacht. Sie ist ja noch sehr jung und fängt gerade erst an, sich als Künstlerin zu entwickeln.
Sie haben als Rapper angefangen. Was sagen Sie zum aktuellen Stand des HipHop?
HipHop ist heute leider sehr eindimensionale Musik. Es wäre an der Zeit, dass jemand neue Ideen hineinbringt, dem Stil neue emotionale Schattierungen verleiht.
Vor gar nicht allzu langer Zeit galt HipHop noch als authentische Straßenkultur. Was ist da schief gelaufen?
Das Problem ist, dass HipHop irgendwann eher als Geschäft denn als Kunst begriffen wurde. Ab diesem Moment saßen nicht mehr die Künstler am Drücker, sondern irgendwelche Manager, denen die Authentizität der Kunstform total egal war. Die beuten einfach das aus, was den größten Knalleffekt verspricht, deshalb bekommen wir jetzt so viele gewaltverherrlichende, angeberische und menschenfeindliche Texte zu hören. Hinzu kommt, dass diese Manager auch kein Geld für die Produktion ausgeben wollen. Das wird alles billig produziert, nur mit Synthesizern und Drumloops, ohne echte Instrumente. Deshalb klingt der aktuelle HipHop so schäbig.
Aber sind daran nicht auch die Künstler schuld?
Klar. Aber es bekommen ja auch nur die einen Vertrag, die das Spiel mitmachen. Es gibt jede Menge Musik, die viel besser ist als das, was im Radio läuft. Nur hören die nicht so viele Leute.
Sie haben immer eine Musik propagiert, die sich der politischen und sozialen Realität stellt. Aber ist der Pop solch großen Themen wie der Katastrophe in Japan oder dem Krieg in Libyen überhaupt gewachsen?
Unbedingt! Ich denke bereits darüber nach, wie man diese Themen umsetzen kann. Früher gab es doch auch Songs, die sich den großen Themen gewidmet haben, denken Sie nur an »Say It Loud I’m Black And I’m Proud« von James Brown oder »Black And White« von Michael Jackson. Ganz bestimmt gibt es Songs, die über einen Diktator wie Gaddafi gesungen werden können. Und es muss ein Lied geben über die Besonnenheit, mit der die Japaner auf die Katastrophe in ihrem Land reagieren! Mit solchen Songs könnte man diesen historischen Momenten ein Denkmal setzen. Oder vielleicht sogar den Krieg in Libyen beeinflussen, wenn man Leute erreicht, die sich damit noch gar nicht beschäftigt haben.