»Der Höhepunkt eines Konzerts fühlt sich an wie der beste Sex«

Mit 18 traf unser Autor die Punk-Legende Joey Ramone zum Interview. 28 Jahre später wird das inzwischen historische Gespräch nun zum ersten Mal veröffentlicht.

Die Ramones in Original-Besetzung: Johnny, Dee Dee, Tommy und Joey (von links). Drummer Marky ist noch nicht dabei.

Foto: Reuters

Ich bin auch heute noch großer Fan von einigen Musikern. Erst vor wenigen Tagen habe ich mir einen Stapel Johnny-Cash-Platten gekauft, darunter zu meiner Freude das US-Mono-Original seiner LP Songs Of Our Soil. Dennoch reicht das Ausmaß dieses Fantums nicht an die Intensität heran, mit der ich als Teenager meine Lieblingsband verehrt habe: die Ramones. 1985 war ich in Berlin bei einem Konzert der legendären Punkband, danach entbrannte ich in Leidenschaft für sie und ihre Musik, hörte jeden Tag ihre Platten und beschäftigte mich mit den Bandmitgliedern - alles aus der Ferne, denn damals war es gar nicht so leicht, an handfeste Informationen über amerikanische Underground-Bands zu gelangen, und als Gymnasiast in Berlin fühlte man sich coolen New Yorker Punkrockern unendlich fern.

Dennoch gelang mir im Sommer 1988 das Unglaubliche: Ich traf die Ramones zum Interview. Zuerst sprach ich im Hotel mit Schlagzeuger Marky, dann hinter der Bühne mit Sänger Joey. Fürs SZ-Magazin habe ich nun aufgeschrieben, wie es zu diesem für mich monumentalen Ereignis kam, wie das Gespräch mein Leben geprägt hat, aber auch wie naiv und unwissend ich damals, als 18-Jähriger, in mancherlei Hinsicht war; auch habe ich Schlagzeuger Marky nun, 28 Jahre später, nochmal wiedergetroffen. Es ist eine Geschichte übers Erwachsenwerden und über die Kraft der Popmusik, die dann doch so lang wurde, dass ich nur wenige Zitate aus den Gesprächen mit Marky und Joey Ramone darin aufnehmen konnte. Das komplette Interview mit Marky ist leider auch nicht mehr vorhanden, ich muss die Kassette verloren oder mal versehentlich weggeschmissen haben. Mein altes Interview mit Joey Ramone ist aber noch da und wird hier nun zum ersten Mal veröffentlicht. Geführt wurde es am 12. Juni 1988 im Backstage-Bereich der Berliner Messehalle 1, ungefähr eine Stunde bevor die Ramones dort auf der Bühne standen. Johnny und Marky Ramone sitzen in ihrer schmucklosen Garderobe herum, Dee Dee liegt auf dem Boden und schläft. Ich stehe mit Joey neben dem Tisch mit Sandwiches und Getränken. Und los geht's.

Wie fühlt es sich an, mit den Ramones auf der Bühne zu stehen?
Joey Ramone: Der Höhepunkt eines Konzerts fühlt sich an wie der beste Sex.

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Wirklich? Ich hätte gedacht, dass sich die Ramones auf der Bühne besonders konzentrieren müssen, um die durchweg schnellen Songs auch exakt spielen zu können.
Nein, zumindest bei mir ist es so, dass ich viel improvisiere. Ich singe, was ich fühle.

Marky hat mir erzählt, dass Ihr nie probt. Habt Ihr auf der Bühne eine Setlist?
Nicht wirklich, wir spielen, was wir wollen.

Auf Euren Platten gibt es gelegentlich tolle Balladen. Warum sind diese langsameren Nummern nie bei Konzerten zu hören?
Die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, wollen einfach nur schnelle Songs hören. Das ist nun mal unser Markenzeichen. Wir haben gelegentlich versucht, eine Ballade einzuschieben, aber es hat sich nicht richtig angefühlt.

Ich finde die Energie bei Euren Shows einfach überwältigend!
Ja, das ist positive Energie! Ich denke, die Ramones beeinflussen ihr Publikum auf positive, humorvolle Art und Weise.

Gaubst Du, dass manchmal sogar übernatürlich Kräfte am Werk sind, wenn Ihr auf der Bühne steht?
Ja, unsere Musik ist wie Magie. Sie kann Kranke heilen.

Bist Du währenddessen immer klar im Kopf?
Na klar. Meine Sinnesorgane funktionieren, ich bin schließlich ein Primat. Mr. Primate.

»Ich habe nie Elektroschock-Behandlung bekommen. Ich kenne aber ein Mädchen, das auf diese Art behandelt wurde. Das hat noch nie jemandem gut getan«

Was hältst Du von Wohltätigkeitsplatten?
Davon gibt es jetzt zu viele. Und man weiß auch nie so genau, ob das Geld wirklich dort ankommt, wo es ankommen soll. Aber einige Anlässe finde ich gut, zum Beispiel wenn es gegen das Töten von Tieren geht. Die Ramones sind große Tierfreunde. Ich glaube, Nina Hagen hat auch was zu diesem Thema gemacht.

Bist Du Vegetarier?
Nein, aber ich habe aus Gesundheitsgründen aufgehört, rotes Fleisch zu essen. Ich muss fit für unsere Shows sein. Ich trinke vor Konzerten auch nie etwas. Ich möchte immer hundert Prozent geben.

Wie verkraftest Du die Shows? Die Intensität und Laustärke müssen doch ziemlich anstrengen sein!
Es ist für mich wie Sport. Ich fühle mich besser denn je, gesundheitlich geht es mir sehr gut.

Und die Ohren?
Auch denen geht es besser denn je. Ich kann hören, wenn eine Nadel zu Boden fällt.

Erstaunlich!
Ja, aber es stimmt.

Vielleicht liegt's auch an der Elektroschock-Behandlung?
Ich habe nie Elektroschock-Behandlung bekommen. Ich kenne aber ein Mädchen, das auf diese Art behandelt wurde. Das hat noch nie jemandem gut getan.

Ich habe den Eindruck, dass die Ramones eine besondere Beziehung zu Berlin haben, weil Dee Dee als Jugendlicher hier gelebt hat.
Wir mögen Berlin. Erinnerst Du Dich an die Show in dem großen Zirkuszelt?

Ja, das war vor drei Jahren. Ich war da und fand es fantastisch. Warum habt Ihr im letzten Herbst auf Eurer Deutschland-Tour nicht in Berlin gespielt?
Keine Ahnung, wir buchen die Konzerte ja nicht selbst. Möchtest Du ein Bier?

Klar, gerne.
Ich liebe deutsches Bier. Ein weiterer Grund, immer wieder nach Deutschland zu kommen.

Welches Ramones-Album findest Du am besten?
Rocket To Russia ist sehr gut, Road To Ruin aber auch. Too Tough To Die und Halfway To Sanity sind auch sehr gut.

Ich finde, die Ramones sind die beste Rock'n'Roll-Band der Welt. Siehst Du das auch so?
Ja, auf jeden Fall. Ich denke, wir sind in einer einzigartigen Position. Wir haben eigentlich keine Konkurrenten. Wir spielen den besten, lebhaftesten Rock'n'Roll. Wir sind die Ramones, so einfach ist das.

Lesen Sie jetzt die komplette Geschichte mit SZ Plus.

Die Helden

Als Jugendlicher verehrte unser Autor die Ramones, sein erstes Interview als angehender Musikjournalist führte er mit deren Schlagzeuger. Erst viele Jahre später wurde ihm klar: Es war alles ganz anders, als er es im Sommer 1988 erlebte.