»Elvis hat mir einen sehr klugen Rat gegeben«

Wanda Jackson über ihre Anfangsjahre als Rockabilly-Sängerin, die Bekanntschaft mit Elvis, die Zusammenarbeit mit Jack White – und einen prominenten Fan, von dem sie kürzlich erfahren hat

Foto: Third Man/Warner

Mit diesem Album konnte eigentlich niemand mehr rechnen. Wanda Jackson war zwar noch nicht im Ruhestand, sondern gibt auch mit 73 immer noch über hundert Konzerte Jahr; doch spielten sich ihre musikalischen Aktivitäten seit Jahrzehnten nahezu ausschließlich innerhalb der engen Grenzen der Rockabilly-Szene ab, wo sie als eine der letzten Performerinnen verehrt wird, die schon dabei war, als alles begann.

Im Jahr 2009 wurde sie nach einer von Elvis Costello initiierten Kampagne in die Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen, um diese Zeit herum entstand wohl auch der Gedanke, dass sie noch mal ein frisches, aktuelles Album machen müsse. Ihrem Manager und Ehemann schwebte ursprünglich ein Duett-Album mit jüngeren Künstlern vor; als er zu diesem Zweck Kontakt zu Jack White von den White Stripes aufnahm, schlug dieser jedoch vor, Jacksons neue Platte lieber im Alleingang zu produzieren. Auch gut, dürften sich die Jacksons gedacht haben.

Nun ist das Album da, wer mit einer rassigen Rockabilly-Platte gerechnet hatte, wird jedoch enttäuscht. White traf die in meinen Augen zweifelhafte Entscheidung, die Platte im Geist Phil Spectors aufzunehmen, und konstruierte aus bratzigen Gitarren, Bläsern und »Fuzz Bass« einen Wall Of Sound, der ein bisschen bräsig aus den Boxen schwappt, sämtliche Stücke dominiert und teilweise sogar Jackson selbst übertönt. Nicht nachvollziehen kann ich auch, warum White sich dafür entschied, Jacksons unverwechselbare Stimme mit Effektgeräten zu verfremden. Im Vergleich zu Jacksons exzellenter Comeback-Platte Heart Trouble von 2003 wirkt The Party Ain't Over (Third Man/Warner) wie der Selbstverwirklichungstrip eines nicht besonders einfühlsamen und auch technisch nicht besonders talentierten Produzenten. Aber vielleicht geht Whites Rechnung ja auf und der Jugend gefällt der Sound, den er Jackson verpasste, genauso gut wie der krachige Sound seiner eigenen Bands. Zu wünschen wäre es Wanda Jackson jedenfalls. Vor ein paar Wochen hatte ich Gelegenheit, mit ihr zu sprechen.

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Wanda Jackson, ich habe schon vor ein paar Minuten angerufen, aber da haben Sie nicht abgenommen.
Ja, das tut mir leid. Die Musik war zu laut. Ich habe mein neues Album gehört ...

... und dabei richtig laut aufgedreht?
Genau. Ich möchte alles hören, was in den Songs vor sich geht.

Zu Anfang gleich die naheliegendste Frage: Wie war die Zusammenarbeit mit Jack White, der Ihr Album The Party Ain’t Over produziert hat?
Das war etwas besonderes. Vieles an ihm hat mir gefallen. Er ist ein Produzent, der ganz genau weiß, was er will. Von Anfang an hat er ein bestimmtes Bild des Albums im Kopf. Ich musste allerdings erstmal rausbekommen, was er im Sinn hatte. Er hat mir geholfen, die Songs zu lernen, und mich dabei ziemlich angetrieben. Er wollte ein lebendiges, energiegeladenes Album. Die Bläser haben mich auch angetrieben, die geben der Musik eine Menge Kraft. Ich bin sehr zufrieden mit dem Album, und ich denke, Jack ist es auch.

Von Jack White weiß man, dass er mit analogen Geräten aufnimmt. Das dürfte Sie an früher erinnert haben?
Ja, auf jeden Fall. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich in seinem Kontrollraum sehr wohl fühle, wo noch eine altes Tonbandgerät steht. Den Song »Like A Baby« habe ich sogar live mit Band aufgenommen, so wie wir es früher gemacht haben.

»Ich bin sicher, dass man mich oft reingelegt hat, wie viele andere Künstler aus meiner Generation«

White behauptet, dass analoge Aufnahmen besser klingen als digitale. Wie sehen Sie das?
Persönlich mag ich die CD lieber, mit ihrem knackigen, sauberen Klang. Wenn ich mir meine alten Songs auf CD anhören, entdecke ich manchmal ein Klavier oder ein Tamburin, das mir bis dahin noch gar nicht aufgefallen war. Mir ist klar, dass viele junge Leute heute vom warmen Sound der Vinyl-Platten schwärmen. Aber Platten sind auch ein bisschen umständlicher als CDs. Bei mir zuhause steht der Plattenspieler im Wohnzimmer, ich bin aber mehr im Schlafzimmer oder in der Küche.

Ich war etwas überrascht, auf dem Album eine Coverversion des Bob-Dylan-Songs »Thunder On The Mountain« zu finden.
Das ist schon ein ungewöhnlicher Song, und es war nicht leicht für mich, ihn zu lernen. Der Song hat eine Menge Text, ich musste mich also sehr konzentrieren. Meine Version ist kürzer als die von Dylan, aber sie ist immer noch über fünf Minuten lang.

Ich nehme an, dass Jack White den Song ausgewählt hat.
Nicht ganz. Jack ist mit Bob Dylan befreundet, deshalb wusste er, dass Dylan sich freuen würde, wenn ich einen seiner Songs covere; wie ich seit kurzem weiß, ist Bob Dylan nämlich ein Fan von mir. Jack hat also Dylan selbst gefragt, welchen seiner Songs ich singen solle. Dylan hat keine Sekunde gezögert und »Thunder On The Mountain« gesagt.

Sehr gefreut habe ich mich auch über den Jimmie-Rodgers-Song »Blue Yodel No. 6«. Jimmie Rodgers kommt nie aus der Mode, oder?
Naja, der Text ist schon manchmal ein bisschen altmodisch. Bei manchen seiner Songs fragt man sich, ob die Leute heute noch kapieren, worum es da geht. Aber nicht so sehr in diesem Song von Jimmie Rodgers.

Besonders gelungen finde ich auch »Dust On The Bible«. Es war bestimmt wichtig für Sie, einen Gospelsong auf die Platte zu nehmen.
Ich habe nichts zu Jack gesagt, aber er wusste, wie ich darüber denke, und hat »Dust On The Bible« gefunden. Den Song hatte ich zwar noch nie gesungen, aber ich kannte ihn natürlich.

Ich habe Sie ein paarmal live gesehen und war immer ziemlich beeindruckt davon, wie mühelos Sie ein oder zwei Gospelsongs in ein Rockabilly-Set integrieren.
Da wundern sich die Leute oft. Aber mir kommt es auf die Botschaft an. Ich fürchte, dass viele junge Leute heute nicht mehr viel von der Bibel wissen. Genau darum geht es ja in »Dust On The Bible«. Jeder hat eine, aber man liest nicht mehr darin.

Ich kenne den Song in der Version von Hank Williams. Haben Sie Hank Williams eigentlich je auf der Bühne gesehen?
Ich glaube schon, aber ich weiß es nicht mehr genau. Eines der letzten Konzerte, das er vor seinem Tod gab, fand in Oklahoma City statt, meiner Heimatstadt. Ich bin ziemlich sicher, dass ich hingegangen bin, aber seltsamerweise kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß aber noch genau, dass er bei seiner Radiosendung manchmal ein bisschen beschwipst war.

Sie haben mit Countrymusik angefangen und sind dann von Elvis zum Rockabilly gebracht worden, richtig?
Ja, genau so wars. Er hat mir gesagt, dass diese Musik gerade sehr populär sei, besonders bei Jugendlichen, und dass ich die richtige Stimme dafür hätte. Früher wären die Platten nur für Erwachsene gemacht worden, hat er mir erklärt, aber inzwischen würden Jugendliche die meisten Platten kaufen, deshalb sei es sinnvoll, Songs für junge Hörer aufzunehmen. Da hat mir Elvis einen sehr klugen Rat gegeben; ohne seine Ermunterung wäre ich wahrscheinlich bei der Countrymusik geblieben. So aber habe ich 1956 meinen ersten Rockabilly-Song aufgenommen, mit 19.

War es kontrovers, dass Sie als junge Frau diese schnelle, raue Musik sangen?
Ja, sehr. Viele Erwachsene hatten schon Probleme, die Musik von Elvis und Jerry Lee Lewis zu akzeptieren. Mit mir hatten sie noch größere Probleme. Aber irgendwann mussten sie nachgeben, weil die Stimme der Jugend es verlangte.

Sie sind auch mit Elvis ausgegangen, oder?
Ja, als wir auf Tour waren.

Was sind ihre prägenden Erinnerungen an Elvis?
Mit ihm zu abeiten, ihn auf der Bühne zu sehen, ihn hinter der Bühne zu sehen, ihn kennenzulernen. Ich habe viele Erinnerungen an Elvis und bin sehr glücklich darüber, ihm in dieser ereignisreichen Zeit begegnet zu sein. Damals ging seine eigene Karriere gerade richtig los, was für ihn sehr aufregend und schön war. Aber er hat sich auch für meine Karriere interessiert, was ich wahnsinnig nett fand.

Welche Periode seines Schaffens mögen sie am liebsten?
Ich finde, seine Stimme wurde immer besser, je älter er wurde. Besonders gern mag ich seine Gospel-Aufnahmen, ich habe ein Boxset, wo die alle drauf sind.

Sie sind inzwischen 73 Jahre alt und immer noch viel auf Tour. Wird Ihnen das nicht langsam zu anstrengend?
Ich denke, ich bin im Herzen eine Reisende. Ich habe es immer gemocht, umherzufahren und die Fans zu treffen. Manchmal denke ich, oh, jetzt wäre es schön, mal ein bisschen länger zu Hause zu sein. Und dann muss ich wieder los. Die Welt ist meine Heimat, nicht nur Oklahoma.

Sind sie wenigstens reich geworden?
Ich bin sicher, dass man auch mich oft reingelegt hat, wie viele andere Künstler aus meiner Generation. Aber ich bin zufrieden. Ich tue das, was ich liebe, und verdiene so meinen Lebensunterhalt – wer kann das schon von sich sagen? Ich bin nicht reich und berühmt, aber ich lebe so, wie ich es möchte, und kann dabei noch anderen Leuten helfen, die es nicht so gut haben.

Zum Schluss muss ich kurz erwähnen, dass ich Sie im Mai 2009 beim Ponderosa Stomp gesehen habe, zusammen mit Elvis’ altem Gitarristen James Burton. Was für eine fantastische Show!
Wirklich, da waren Sie? Dieses Konzert war auch für mich etwas besonderes! Ich wusste nicht, ob ich James fragen sollte, aber dann habe ich ihm hinter der Bühne erzählt, dass ich in meiner Show auch einen paar Elvis-Songs singen würde. Er meinte gleich, dass er gerne mitspielen würde. Als wir auf der Bühne standen, hat es mir solchen Spaß gemacht, ihm zuzuhören, dass ich bei einem Song meinen Einsatz verpasst habe! Da musste er noch ein bisschen weiterspielen.\