Die Halbzeiteier

Zu den Plagen unserer Zeit gehört leider das Aussterben der klassischen kleinen Gerichte zwischendurch. Wer versucht, ein einfaches Schinkenbrot zu erstehen, wird scheitern und an die Sandwich-Theke geschickt. Offensichtlich ist es nicht mehr möglich, ein Brötchen zu belegen, ohne es mit Mayo, klebrigen Spezialsaucen und labbrigen Tomatenscheiben auszustatten, die allesamt ihre vernichtende Wirkung auf die Kleidung des Käufers nicht verfehlen könnten. Sogar in der Kölner City ist es heute einfacher, an Haifischflossen-Sushi heranzukommen als an die gute alte Currywurst. Sehr begrüßenswert ist daher die Erfindung des Halbzeit-Eis (Genetiv zu Ei). Das Pausenei war in den fünfziger Jahren, zur Zeit des Wunders von Bern also, sehr beliebt, als man umständehalber auf dem Spielfeld wie bei den Zwischenmahlzeiten noch bescheiden war. Die zeitgemäße Einfärbung mit Ballmuster trägt dem Verlangen nach Event und Besonderheit unserer Tage Rechnung. Geschmacklich dem Supermarkt-Osterei nicht deutlich unterlegen, im praktischen Sechserpack erhältlich.

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