Total oben auf

Der Hipster-Dutt ist längst im Mainstream angekommen, auch die »halbe Palme« ist zurück. Warum halten sich vor allem Frisuren so hartnäckig, die senkrecht vom Kopf abstehen?

Hailey Bieber mit einer »half up, half down«-Ponyfrisur in New York.

Foto: Getty Images

Im britischen Guardian war neulich über den »rise of the top knot« zu lesen (den Aufstieg des hohen Dutts), was eine hübsche, doppeldeutige Formulierung ist. Weil dieser Dutt eben nicht nur sehr hoch und mittig auf dem Kopf getragen wird, sondern er es auch sonst ziemlich weit gebracht hat. Er hält sich vor allem bei Prominenten und Influencern so hartnäckig, dass der Guardian die Geschichte mit »Knot-Köpfen« der Schauspielerinnen und Sängerinnen Zendaya und Jennifer Lopez gleich mal auf der Titelseite ankündigte.

Wahrscheinlich ist gerade alles recht, was nicht mit Boris Johnson zu tun hat, und obwohl durchaus schon Männer mit dieser Frisur gesehen wurden - Johnson ist definitiv unverdächtig, mit seinen Fusseln einen top knot zu tragen. Wo also kommt die Frisur her und warum ist sie überhaupt da? Der Guardian schreibt den Trend vor allem Instagram zu, womit man nie falsch liegt, weil sich alles in der aktuellen Mode irgendwie darauf zurückführen lässt. Zumindest garantiert so ein voll auf die Zwölf-Dutt maximale Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit bei Selfies sowie anderen frontal aufgenommenen Fotos. Das Hauptkriterium des Social-Media-Zeitalters wäre also schon mal erfüllt.

Aber steckt da nicht noch mehr drin? Immerhin gibt es auf youtube mittlerweile an die zwanzigtausend Tutorials für »perfect«, »messy« oder »half up, half down« top knots. Das früher hierzulande gern »Hipster-Dutt« genannte Ding ist mittlerweile so sehr in den Mainstream übergegangen, dass es selbst bei Models in der aktuellen Rewe-Werbung auftauchen darf.

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Gleichzeitig ist auch die »halbe Palme« aus den Neunzigern zurück, bei der nur die obere Haarpartie sehr hoch und nicht als Dutt sondern als Zopf getragen wird, was immer ein bisschen an Yorkshire Terrier mit Schleife erinnert. Getragen wird der »Power half up half down pony« vorzugsweise von Frauen wie Ariana Grande und Hailey Bieber, die jung genug sind, dass man ihnen solche Flausen im wie auf dem Kopf nachsieht. Allerdings wurden nicht ganz zufällig ebenfalls Frauen wie Heidi Klum und, natürlich, J. Lo damit gesehen. Denn ein »top whatever« signalisiert eben auch: Man ist noch total oben auf.

Traditionell geht es mit den Haaren im Laufe der Zeit ja eher bergab. Bei Männern bleiben bisweilen kaum welche übrig, Frauen tragen als junge Mädchen meist einen hoch wippenden Pferdeschwanz, dann rutscht er im Laufe der Zeit immer weiter nach unten. Ältere Frauen steckten sich früher einen Dutt, der maximal tief im Nacken saß. Wer nun selbst jenseits der 40 noch Haare hat, die lang genug sind, einmal den ganzen Hinterkopf zurückzulegen und oben trotzdem noch ein Haargummi füllen, versucht demonstrativ, sich der Schwerkraft zu widersetzen. Nicht nur der Hintern und die Brüste hängen nicht - die Haare sitzen auch noch Bombe! Alles an diesem Körper strebt nach oben! Nebenbei soll ein sehr strenger hoher Dutt, wie ihn die Sängerin Céline Dion gern trägt, sogar das Gesicht straffen; zumindest optisch.

Darauf, dass so eine Art Antenne auf dem Kopf nicht nur ein erhöhtes Sendungsbewusstsein, sondern auch eine top Verarbeitungsleistung desselbigen signalisiert, sollte man hingegen eher nicht spekulieren. Wer als Kind Ballett gemacht hat, oder in den Achtzigern eine wilde Palme wie Madonna auf dem Kopf, weiß, dass mit senkrecht nach oben gekämmten Haaren nach einer Weile höchstens ordentlich Kopfschmerzen eintreten.

Wird auch getragen von: Rihanna, Rosalía, Bella Hadid
Typischer Instagram-Kommentar: 🔝
Passender Song: »The only way is up« (Yazz)