Als letzte Woche Millennial-Übermodel Gigi Hadid und Kolleginnen mit Welpen auf dem Arm die Mailänder Modenschau der italienischen Marke Tod's eröffneten, fühlten wir uns schlagartig 15 Jahre zurückversetzt. In die Zeit, in der Hotelerbin Paris Hilton freigelegte Hüftknochen und pinke Nicki-Hausanzüge straßentauglich und das permanente Mitführen von Schoßhündchen in Designerhandtaschen zum Trend machte.
Und schon damals war dieser Trend fragwürdig. Ursprünglich losgetreten von dem 2001er Hollywood-Streifen »Natürlich Blond«, in dem Reese Witherspoon als Tussi an der Seite ihres Chihuahuas »Bruiser« um Anerkennung ringt, erfuhren die kleinen Zuchthunde rasanten Zuspruch - am prominentesten propagiert von Hilton, die ihren »Tinkerbell« sogar mit über rote Teppiche trug. Die Modeerscheinung führte damals so weit, dass kalifornische Tierheime 2009 tatsächlich über das »Paris-Hilton-Syndrome« klagten und die drastisch angestiegene Zahl an verlassenen Chihuahuas zumindest teilweise auf den Einfluss von Hollywood(-Celebrities) zurückführten.
Auch eine Dekade später zieht die tierische Laufstegpräsenz den Unmut von Tierschützern auf sich. »Animals are not fashion accessories« (»Tiere sind keine Modeaccessoires«), warnte etwa die Tierschutzorganisation Peta als Reaktion auf die Tod's-Schau und bemängelte außerdem die Gefahren reinrassiger Züchtung, denen mehrere der auf dem Catwalk präsentierten Welpen unterlägen.
Tatsächlich fragt man sich, was die Hunde dort verloren haben - Tod's ist schließlich vor allem eine Traditionsmarke für Schuhe, Taschen und sonstige Lederaccessoires. Würde es da nicht reichen, die Models trügen einfach diese auf dem Arm? Angeblich wollte Tod's dem soeben angebrochenen chinesischen Jahr des Hundes Tribut zollen, und immerhin nahm auch die Kollektion mit hundeförmigen Lederanhängern und Co. ein bisschen thematischen Bezug dazu. Doch Tod's dürfte die Welpen wohl vor allem aus einem Grund auf den Laufsteg geschickt haben: ihrem Niedlichkeitsfaktor.
Tatsächlich waren die gezeigten Exemplare sowas wie die Tierwerdung dessen, was man gemeinhin als süß empfindet: ein kleiner Boxer, ein Shiba Inu und ein Baby-Spaniel waren unter anderem dabei. In Social-Media-Sprache: ein wahrer »cuteness overload«.
In Zeiten wahnsinnig schnelllebiger Mode geht es bei der Inszenierung dieser immer mehr um das Kreieren eines fototauglichen Moments, einer Instagram-Sensation. Man mag das als Effekthascherei empfinden, doch die zahlt sich pressemäßig nun mal aus. Bei Dolce & Gabbana wurden die Handtaschen und Accessoires gerade tatsächlich von Drohnen über den Laufsteg geflogen - und das Netz war voll davon.
Den größten viralen Hit landete jedoch wieder einmal Gucci. Ähnlich wie bei Tod's, drückte auch Gucci-Kreativdirektor Alessandro Michele seinen Models etwas »Lebendiges« in den Arm: schaurig-schöne kleine Drachenbabys, Echsen und Schlangen aus Plastik sowie zwei höchstaufwendig produzierte und täuschend echte Nachbildungen der jeweiligen Modelköpfe. Die daraufhin losgetretene #Guccichallenge, bei der sich Personen die Köpfe anderer vermeintlich unter den Arm klemmen, schlägt auf Instagram gerade Wellen. Und auch Guccis fantasievolle Fabeltierchen erfreuen sich großer Viralität - und dürften unter dem Blitzlichtgewitter weit weniger gelitten haben als ihre kuscheligen Artverwandten bei Tod's.
Wird getragen mit: Designer-Handtasche, viel Strass, Juicy-Couture-Nickianzug
Wird getragen von: Reese Witherspoon in »Natürlich Blond«, Paris Hilton, Rudolf Mooshammer, Mickey Rourke (ja, tatsächlich)
Typischer Instagram-Kommentar: #cutenessoverload
Fotos: Amy Graves/WireImage via Getty Images (Paris Hilton, 2003); AFP (Tod's)