Das Comeback von Deep Purple

Nicht einer, sondern gleich zwei Schauspieler trugen gerade bei einer Filmpreis-Gala nichts als Lila. Warum? Oder müsste die Frage eher lauten: Warum nicht? Über den Aufbruch der Männermode zu neuen, sanfteren Ufern.

Das hier ist eine eigene Zusammenstellung, könnte aber auch sogenannter Splitscreen sein – also ein geteilter Bildschirm, der nicht nur für geschäftliche Zoom-Meetings Sinn macht, sondern auch für Preisverleihung. Schließlich kommt ein Partnerlook wie dieser so besonders gut zur Geltung. 

Fotos: Getty Images

So langsam fängt man an, diese virtuellen Preisverleihungen lieb zu gewinnen. Zumindest muss das ewig gleiche Red-Carpet-Prozedere ohne beschreitbaren Teppich notgedrungen variiert werden. Nach ein paar holprigen Anläufen wird sich nun nicht mehr nur auf dem heimischen Sofa inszeniert oder einmal durch den Vorgarten mäandert, immer mehr Stars absolvieren parallel Foto-Shootings, damit sie und die involvierten Marken hinterher nicht nur pixelige Screenshots, sondern ordentliche Hochglanzbilder verschicken können. So anpassungsfähig, diese Gattung Mensch.

Ganz vorne mit dabei in Sachen »Off Carpet«: Jared Leto. Der für seine Nebenrolle in »The Little Things« nominierte Schauspieler wandelte vor oder nach der Verleihung der SAG-Awards vergangenen Sonntag durch eine nächtliche, verwaiste Altstadt, vermutlich in Italien, wo er gerade an der Seite von Lady Gaga und Adam Driver »House of Gucci« dreht. Und natürlich trug er dabei wieder Gucci, weil der 49-Jährige seit ziemlich genau sechs Jahren, also so lange sein Haar-Double Alessandro Michele dort Chefdesigner ist, kaum eine andere Marke trägt. Sein Anzug mit ausgestelltem Bein kam wie schon früher sehr Siebziger-Jahre-lastig daher, das durchsichtige Hemd ließ er wieder sehr weit aufgeknöpft, wieder hatte er ein Seidentuch fest um den Hals gezurrt – vor allem aber waren diesmal alle Teile Ton in Ton: lavendelfarben. Bei Pantone auch mal »Radiant purple« genannt, und für die mit Milka Sozialisierten unter uns Alpenkuh-Lila. Sagen wir, alles in allem vielleicht nicht der testosteronaffinste Ton in der Palette.

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Ein weiterer Vorteil dieser virtuellen Award-Shows: Bei den häufig geteilten Bildschirmen fallen Partnerlooks unter Nominierten noch besser auf. Genau neben Jared Leto erschien also der spätere Gewinner Daniel Kaluuya (für seine Rolle im Film »Judas and the Black Messiah«) im Bild, ebenfalls in lila. Wie sich auf dem später veröffentlichten Ganzkörperfoto zeigte, war sein Anzug zwar deutlich weniger sexy lustwandlerisch, sondern von Designer Virgil Abloh für Louis Vuitton eindeutig dem Pyjamafach entlehnt. Farblich erschienen beide Modelle jedoch beinahe identisch, doppeltes Deep Purple sozusagen.

Prince William trägt gern Wollpullover in »Plum Purple«. David Beckham heiratete bekanntlich im lilafarbenen Partnerlook. Und sogar historisch gesehen wäre hier einiges zu holen.

Die letzte Lila-Allianz liegt bekanntlich nicht allzu lange zurück. Nach der Amtseinführung von Präsident Biden im Januar gingen die nebeneinander geschnittenen Bilder von Kamala Harris, Hillary Clinton und Jill Biden in Lila um die Welt. Die Farbe sollte hier offensichtlich ein Zeichen des Aufbruchs, der Frauenbewegung, der vereinten Stärke sein. An Leto und Kaluuya dürfte es deshalb von Kritikern vor allem als Beweis der weiteren Feminisierung der Männergarderobe gewertet werden. »Echte Männer« lehnen die Farbe nämlich angeblich strikt ab. Außer Prince William, der trägt gern Wollpullover in »Plum Purple«. Und David Beckham, der heiratete bekanntlich im lilafarbenen Partnerlook. Und sogar historisch gesehen wäre hier einiges zu holen: Römische Senatoren zeigten ihre Würde mit einem Streifen Lila auf der Toga. Violett – gleicher Wortstamm wie das lateinische Violentiam übrigens – war traditionell die Farbe der Gewalt.

Das neuzeitliche Lila hingegen könnte nun auch bei Männern für Aufbruch stehen: Weg von den ewigen geschlechterspezifischen Einordnungen, hin zu größtmöglicher (nicht nur farblicher) Entspannung. Und wer glaubt, Jared Leto mache auf Retro-Erotik – er ist im Gegenteil längst in der digitalen Ära angelangt, nicht nur was das Filmpreisformat angeht, sondern auch stilistisch.

Schon mal auf die Farbpalette der Emojis geachtet? Die Farbe Lila ist dort beinahe überpräsent, und zwar längst nicht nur in der Oberbekleidung der Frauenfiguren. Auch beim Teufelchen, den Regenschirmen, bei den Maskierten. Und welche Farbe hat der Anzug des schwoofenden Saturday-Night-Tänzers...? Eben. In Wahrheit ist das die 1:1 Stilvorlage für Letos Look. Nur gerockt wird Corona-bedingt später.

Typischer Instagram-Kommentar: »So sieht meine Wäsche nach dem Verfärben auch immer aus.«
Wird getragen mit: anderen Kleidungsstücken in Pflaume, Dunkelrosa und Flieder
Passender Song: »Purple Rain« (Prince)