Nicole Kidman und Saoirse Ronan mit Riesenschleifen, Jennifer Lawrence im bodenlangen Paillettenkleid oder Rita Moreno, die ihr Oscar-Kleid von 1962 wiederaufleben ließ – alles eindrucksvolle Roben, doch der wohl coolste Auftritt der Oscar-Verleihung blieb fast unbemerkt: Der 89-jährige Drehbuchautor James Ivory nahm am Sonntagabend den Preis für das beste adaptierte Drehbuch für das Drama »Call Me by Your Name« entgegen – im schwarzen Anzug und einem weißen Hemd, das mit dem Gesicht Timothée Chalamets, des Hauptdarstellers seines Films bemalt war.
Um genau zu sein, handelte es sich nicht nur um das Gesicht Chalamets, sondern das seines Filmcharakters Elio Perlman in einer Szene des Films. Auch wenn seit einigen Jahren vermehrt Schauspielerinnen unter dem #askhermore-Hashtag dazu aufrufen, ihnen bei Red-Carpet-Events wie den Oscars doch bitte ein paar gehaltvollere Fragen zu stellen, als die nach dem Designer ihres Kleides – in diesem Fall ist die Frage berechtigt. Woher kommt dieses originelle Superhemd?
Der Schwarmintelligenz sei Dank war der Urheber schnell gefunden: Hinter dem Hemd steckt der britische Portrait-Künstler Andrew Mania. Laut eines Interviews mit der amerikanischen Vogue war Mania nicht nur begeistert von der Filmfigur Elio Perlman, sondern auch von dessen im Matisse-Stil mit Gesichtern bedruckten Hemd, das Perlman in der herzzerreißenden Schlussszene des Films trägt. Da Andrew Mania nirgendswo ein ähnliches Exemplar finden konnte, bemalte er sich kurzerhand sein eigenes – und danach auch das nun berühmte Konterfei-Hemd. Dieses zeigte er anschließend dem New Yorker Kunstsammler und Kurator Xavier Salomon, zufälligerweise ein Freund James Ivorys, der diesem direkt ein Foto davon schickte – der Rest ist junge (Mode-)Geschichte.
Ivory beweist mit dem Tragen des bemalten Portrait-Hemdes an einem der wichtigsten Abende seiner Karriere nicht nur Humor und eine gewisse Mode-Ironie, sondern zollt vor allem seinem jungen Hauptdarsteller Chalamet Tribut.
Dass Prominente einander textil würdigen, kommt durchaus öfter vor. Kürzlich wurde etwa Boxlegende Mike Tyson am Flughafen von Los Angeles mit »Jimmy Kimmel Live«-Merchandise-Jacke gesichtet.
Beyoncé trug schon das Gesicht der verstorbenen R'n'B-Sängerin Aaliyah auf der Brust, Rihanna das von Kate Moss (und Lady Di und Hilary Clinton), Claudia Schiffer ein Foto von Naomi Campbell. Und der Schauspieler Macaulay Culkin twitterte ein Foto, auf dem er ein T-Shirt trug, auf dem wiederum Ryan Gosling zu sehen war, wie der ein Macaulay-Culkin-Shirt anhatte. Die Hommage-Hommage sozusagen.
Solche Auftritte haben etwas erfrischend Kameradschaftliches und Sympathisches. Wer selbst zu den A-Promis zu gehört, bei dem hat das medienwirksame Fan-Shirt-Tragen gleich doppelte Schlagkraft: Lob von Kollegen und Konkurrenten hört man schließlich am allerliebsten.
Überschwängliche Anerkennung wurde nach der Oscar-Verleihung übrigens auch Andrew Mania zuteil. Auf seinem Instagram-Profil verkündete er daraufhin: »I'm finding all this attention a bit overwhelming. Bare with me whilst I recover« (Deutsch:»Ich finde die ganze Aufmerksamkeit etwas überwältigend. Bleibt bei mir, während ich mich erhole«). Die von ihm angekündigte Serienproduktion der Portrait-Hemden dürfte also noch etwas auf sich warten lassen.
Wird getragen von: Normalo-Fans und gut vernetzten Promis
Wird getragen mit: Hingabe, eigenem Celebrity-Status, charmanter Ironie
Typischer Instagram-Kommentar: #fanboymoment
Fotos: Afp, Getty Images