Genau das, was Eltern den fußballspielenden Kindern immer verbieten wollen, weil die Dinger auf dem Asphalt so laut klackern und Stollenschuhe nun mal »einfach nicht auf die Straße gehören!« Dieses erzieherische Argument ist jetzt also auch dahin, Stollenschuhe sind diese Saison im Alltag offiziell angesagt. Der Dank geht an Designer Demna Gvasalia, der für seine aktuelle Kollektion Fußballleibchen und Fanschals des »FC Balenciaga« entwarf, außerdem eben Soccer Sneaker mit Stollen darunter, für Männer wie für Frauen.
Miuccia Prada setzte vergangene Woche nach und präsentierte bei ihrer MiuMiu-Kollektion für nächstes Frühjahr ebenfalls Stollenschuhe, allerdings mit Absatz. Also eine Art Stöckel-Stollen-Schuh. Früher hätte man das nur als Parodie gewagt.
Dabei waren Frauen bislang nicht nur im Fußball, sondern auch in der sich-für-Fußball-interessierenden-Modewelt hoffnungslos unterrepräsentiert. Fanschal- und Trikot-Anleihen fanden sich eher in den Männerkollektionen, etwa bei Gosha Rubchinskiy. Lediglich das französische Label Koché zeigte 2018 eine offizielle Kooperation mit Paris Saint-Germain und deren Shirts auf dem Laufsteg, bei der auch Frauensachen dabei waren. Ansonsten statten Marken wie Armani und Dolce & Gabbana seit Jahren vor allem Herrenmannschaften aus, geworben wurde mit Beckham, Ronaldo, Coutinho & Co.
Erst neuerdings hat die Luxusmarke Loewe für ihre Kampagne die US-Fußballerin Megan Rapinoe fotografiert, die nicht nur als Sportlerin und Aktivistin längst eine Ikone ist, sondern auch für ihren Stil gefeiert wird. Kurze, oft lilafarbenen Haare, Loafer mit übergroßen Kettendetails von JW Anderson. Neulich saß die 35-Jährige beim Basketball, um ihre Lebensgefährtin Sue Bird anzufeuern, mit rot-weißen Sneakern, pinkfarbenen Socken, schlumpfblauer Hose, schwarzer Strickjacke und geblümtem Seidenkopftuch in der Halle. Angst vor gewagten Kombinationen hat die Frau auch abseits des Rasens definitiv nicht.
Hat die Modewelt also erst jetzt mitgekriegt, dass sich auch Frauen für Fußball interessieren? Und dass zwar die Einschaltquoten (und nebenbei die Gehälter) bei den Spielerinnen weit unter denen der Männer liegen, sie deshalb aber keineswegs weniger bemerkenswert, attraktiv und einflussreich sind? War das alles eigentlich für die abgesagte EM 2020 und Olympia 2020 gedacht? (Als Ersatz kann man sich hier Thom Brownes fantastisch-durchgeknallte Show »Lunar Games 2132« anschauen.)
Die vielleicht plausibelste Erklärung für mehr Fußball in der Frauenmode: Sportswear insgesamt ist ein anhaltender Trend, und auch auf diesem Gebiet weichen die klassischen Geschlechter-Stereotypen weiter auf. Nicolas Ghesquière scheint sie bei Louis Vuitton bereits weitestgehend abgeschafft zu haben. Miuccia Prada arbeitete sich schon mal an (Fußball)-Stutzen ab, erst für Männer, anschließend für Frauen. Jetzt folgen eben Schuhe sowie retro Trainingshosen und -jacken wie aus Sepp Maiers aktiven Zeiten, nur dass die jetzt eben von jungen Mädchen getragen werden, zu ultrakurzen Höschen und Etuiröcken.
In Corona-Zeiten scheint Prada übrigens noch etwas anderes aufgefallen zu sein, nämlich dass Fußball und Mode im Grunde viel gemeinsam haben: »Fashion Shows wie Sportevents sind dazu gemacht, angeschaut zu werden – um zu unterhalten, zu erfreuen«, hieß es in ihrem Begleittext. Es handele sich um »performative Phänomene«, bei denen »ein Publikum sowohl für die Veranstaltung als auch für die Spieler in einem wechselseitigen Austausch« erforderlich sei.
Mit anderen Worten: So wie Geisterspiele im Fußball sind auch Schauen ohne Livepublikum irgendwie Käse. Das Spektakel wirkt seltsam blutleer, wenn das Gegröle – wie bei der digitalen Präsentation von Miu Miu – nur aus der Konserve kommt. Für die Fans, auf beiden Seiten, hilft da wohl nur: Jede Menge Fanartikel zum Trost kaufen. Das x-te Trikot, das nächste Paar Schuhe. Diesmal vorzugsweise mit Stollen.
Typischer Instagram-Kommentar: »Stöckel-Stollen-Schuh? Stoletto!«
Das sagt der Fußball-Trainer: »Mit dem Gedöns kommt ihr mir nicht auf den Platz!«
Passender Filmtitel: »Kick it like.. Megan«