»Meghan und Harry: offizielles Statement vom Palast – es ist alles vorbei.« Ausgerechnet am Valentinstag erschien ein australisches Klatschmagazin namens New Idea mit dieser Schlagzeile, weshalb die Zeitschrift nun als No idea verspottet wird. Denn bekanntlich hatten sich die Sussexes just denselben Tag ausgesucht, um nicht ihre Trennung, sondern feierlich und »overjoyed« die zweite Schwangerschaft bekannt geben zu lassen.
Wer wegen auffälliger Stille um das Paar im Sussexil in Kalifornien in den letzten Wochen auch mal kurz am Liebesglück gezweifelt hatte, braucht sich als Gegenbeweis nur dieses Foto anzusehen, das der langjährige Freund und Fotograf des Paares Misan Harriman auf Instagram gepostet hat. Es stimmt einfach alles, zuallererst die Chemie zwischen den beiden: Ihr Kopf ruht auf seinem Bein, im Schutz seiner Hand. Sein Kopf ist leicht nach vorne gebeugt, sodass die Sichtachse ziemlich genau senkrecht verläuft und die strahlenden Blicke in perfekter Harmonie aufeinandertreffen. Wahrscheinlich könnte das Paar noch stundenlang in dieser Haltung verharren, ohne dass sich jemand einen steifen Hals holt. Harry würde lediglich das ausgestreckte linke Bein irgendwann unter ihrem Kopf einschlafen.
»In dieser bewusst nicht mehr ganz so royalen Familie wird demonstrativ recycelt«
Auch die restliche Bildkomposition passt perfekt. Meghans Babybauch zeichnet sich im Liegen deutlich unter dem langen fließenden Kleid ab, das farblich – zumindest in Schwarz-Weiß – genau zu Harrys Hemd passt. Das Kleid transportiert nebenbei sogar noch eine weitere, nicht unwichtige Information: Es ist nämlich der gleiche Carolina-Herrera-Entwurf, den sie schon in ihrer ersten Schwangerschaft mit Prinz Archie trug. In dieser bewusst nicht mehr ganz so royalen Familie wird also demonstrativ recycelt. Auch dafür ist die kalifornische Sonne da, im fiesen englischen Winter würde der letzte Knopf des neugekauften Daunenmantels jetzt schon bald nicht mehr zugehen.
Aber am besten ist natürlich das Setting: Im Hintergrund ein großer Baum – Zaunpfahl für: Leben – mitten in einem Park oder Garten, also auf fruchtbarem Boden, Harrys nackte Füße im Gras – entweder das Paar oder ihr Hoffotograf Misan Harriman, der das Bild per Videoschalte machte, haben hier ganze Arbeit geleistet. Die beiden scheinen wie füreinander bestimmt, weil sie perfekt aufeinander abgestimmt sind.
»Visual storytelling« nennt man das im modernen Marketing, was in Bezug auf Personen oder Personenmarken – zu denen Prominente und Royals definitiv zählen – auf eine Art fortlaufende, selbst erzählte Foto-Love-Story hinausläuft. Aus »alle mal herhören« ist im visuellen Zeitalter längst »alle mal herschauen« geworden. Denn laut Untersuchungen behalten wir von all den Informationen, die uns täglich begegnen, nur zehn Prozent Gelesenes, zwanzig Prozent Gehörtes, aber immerhin dreißig Prozent Gesehenes. Bilder nehmen wir 60.000-mal schneller wahr als Text. Wer also am vergangenen Sonntag auf Social Media unterwegs war, dürfte mit ziemlicher Sicherheit die frohe Botschaft empfangen haben. Die Royals gehen damit klug in Vorlage: Wenn die ganze Welt den Babybauch schon gesehen hat, braucht es erst mal keine Paparazzi-Bilder davon.
»Später werden diese Motive wahrscheinlich einmal wie da Vincis analysiert«
Leider hat das zur Folge, dass auch der Rest der Welt immer öfter glaubt, Dinge nicht mehr einfach irgendwie vermelden zu können (Schnappschuss? Pah!). Man kann sich jetzt schon die Qualen all der Fotografen-Freunde vorstellen, die demnächst von angehenden Ehepaaren, Schwangeren und frisch gebackenen Eltern in irgendwelche Parks und Wälder bestellt werden, um ähnlich perfekte »Announcement«-Aufnahmen zu machen. Früher brauchte die Plebs lediglich ein paar professionelle Hochzeitsbilder zum Verschicken, heute liegt die Latte deutlich höher beziehungsweise wird ständig neu aufgelegt, zum Valentinsschwur, beim Urnengang, bis zum conscious uncoupling. Wer nichts zu vermelden hat, hat schließlich auch nichts zu melden.
Längst gibt es von Hochzeitsplanern oder Social-Media-Profis Tipps für den perfekten Geburtspost (ehemals Geburtsanzeige), die Variante »winzig kleine Hand umklammert großen Finger« etwa, oder die Verlobungsankündigung mit geschickt in Szene gesetztem Ring.
Wobei die eigentliche Königin auf diesem Gebiet natürlich Beyoncé ist. Sie ließ die Ankündigung ihrer Schwangerschaft mit Zwillingen vor rund vier Jahren vom Künstler Awol Erizku gestalten. Das Bild von ihr in Unterwäsche mit Schleier vor Blumengesteck bekam damals elf Millionen Likes – Rekord des Jahres. Später werden diese Motive wahrscheinlich einmal wie da Vincis analysiert. Als die hohe Kunst der Verlautbarung beziehungsweise Sichtbarmachung.
Welches die nächste große Vermeldewelle wird, dürfte bereits klar sein: »Vaxxies« statt Selfies, ein möglichst gut inszenierter Schuss vom ersehnten Schuss. Welches Oberteil, lange Ärmel kurze Ärmel, welche Maske, welcher Gesichtsausdruck, wer macht wann das Foto – das alles will gut überlegt sein. Aber den meisten von uns bleibt ja, wie es aussieht, noch ein bisschen Zeit für die Planung.
Haben ebenfalls gern was zu melden: Carrie Symonds & Boris Johnson, Victoria & David Beckham
Typischer Instagram-Kommentar: »Wo zum Kuckuck ist eigentlich Archie?!«
Passender Song: »Pictures of you« (The Cure)