Dieses Bild wird Donald Trump noch verfluchen. Dummerweise kann man weder dagegen klagen (so wie gegen das Buch von John Bolton), noch hinterher sagen, es sei ein Scherz gewesen (so wie bei seiner Anweisung, weniger auf Corona zu testen, weil man sonst ja nur immer mehr Fälle finden werde). Die Aufnahme von der Ankunft des Präsidenten in der frühen Sonntagnacht nach seinem Wahlkampf-Debakel in Tulsa ist jetzt in der Welt und es spricht Bände. Trump sieht mitgenommen aus, fertig, abgeschlafft wie nie, und dieser Eindruck hängt vor allem mit seiner hängenden Krawatte zusammen. Mag sein, dass dieses Kleidungsstücks seine besten Zeiten hinter sich hat, aber an Symbolik hat es ganz offensichtlich wenig eingebüßt.
Normalerweise legt Trump größten Wert darauf, nicht ohne dieses Accessoire zu erscheinen. Es gibt, jedenfalls zuletzt, kaum Bilder von ihm mit offenem Hemd, hochgekrempelten Ärmeln oder dergleichen. Er lässt sich überhaupt selten von Fotografen in »entspannten Momenten« fotografieren. Auch die aufgetuffte Haartolle, der konsequent zu terracottafarbene Teint – alles an diesem Mann legt die Vermutung nahe, dass der 74-Jährige sowieso zu den eher nicht entspannten Typen gehört.
Mit seiner Krawatte war er sogar besonders penibel. Nicht was den perfekten Knoten, sondern was die Überlänge angeht. Er schlug auch hier bewusst über die Stränge. Und sollte ihm mal der Wind des First Helicopter dazwischen kommen, klebte er sie einfach behelfsmäßig mit Tesafilm fest, in bester »fake it«-Manier, die einmal natürlich doch aufflog. Noch so ein Bild, das man nie vergessen wird.
Halten wir also fest, dass Trump, was die Wahrung seiner Krawatten-Form angeht, für gewöhnlich bis zum Äußersten geht. Umso bedeutender erscheint diese Nachlässigkeit: Trump mit offen hängendem Schlips um den Hals wie ein angeschlagener Boxer mit nassem Frottee-Tuch über den Schultern. Die offenen Enden wirken wie ein Anfang vom Ende. Nicht nur »Ich bin fertig« sondern auch »Ich habe fertig« könnte dieser Moment in Trapattonischer Tradition bedeuten, was für viele Trump-Gegner eine höchst willkommene Nachricht wäre. Der Anfang einer bevorstehenden Niederlage, Trump in den Seilen.
Aber warum sollte Trump sich ausgerechnet jetzt, nach dem Debakel von Tulsa, so offensichtlich hängen lassen, wo er doch weiß, dass er beim Aussteigen aus dem Helikopter, wie immer, fotografiert werden wird? Mag sein, dass sein übrig gebliebener Stab für kaum mehr etwas gut ist, aber irgendwer von ihnen hätte das Ding sicher halbwegs binden können, um den Anschein zu wahren. Schlimmer noch: Gleichzeitig drückte der Präsident seine berühmte „MAGA«-Kappe in der Hand zusammen. Wie ein Fußballspieler, der sein Trikot nach einer selbstverschuldeten 1:5-Niederlage in der Hand zusammenknüllt. Auf Twitter wurde das Video von seinem »Walk of shame« mit dem Song »I want to know what love is« von Foreigner unterlegt, was so tragisch-komisch ist, dass man für den Bruchteil einer Mili-Sekunde nicht nur Mitleid, sondern auch ein Stück weit Wehmut empfindet.
Womöglich haben wir es hier tatsächlich mit der ersten ehrlichen, ungeschönten Momentaufnahme in der Amtszeit dieses Präsidenten zu tun. »To let one’s guard down« heißt es im Englischen als Anspielung auf frühere Krieger, die ihr Visier runterließen, um einen Waffenstillstand zu signalisieren. Auch bei Tieren, die sich auf den Rücken legen und ihre verwundbare, untere Seite zeigen, sprechen Psychologen davon. Kann Trump wirklich so schlecht mit Niederlagen umgehen, dass er gleich alles fahren lässt? Hat er endgültig die Lust an diesem Spiel oder doch nur für einen Moment die Fassung verloren?
Für die Zukunft empfehlen wir, so oder so, diese fertig gebundenen Clip-Krawatten, wie viele sie an Karneval tragen. Auch das wäre übrigens eine überaus treffende Symbolik.
Wird auch getragen von: Richard Gere in »Pretty Woman« (allerdings mit Happy End)
Typischer Instagram-Kommentar: »It’s a Tie-Break!«
Passender Song: Come undone (Duran Duran)