Sieht so Frieden aus?

Yael Shelbia ist laut einem Ranking die schönste Frau der Welt – vor allem aber ist die 19-Jährige das erste israelische Model auf dem Cover eines Magazins aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Über die Rolle der Mode für die Diplomatie.

Foto: Instagram

Ok, das mediale Echo ist jetzt nicht ganz so groß wie bei Harry Styles, als er im November als erster Mann, zumal im Kleid, auf der amerikanischen Vogue landete. Dabei ist das Februar-Cover der L’Officiel Arabia historisch gesehen auch nicht ohne. Denn das dort abgebildete Model Yael Shelbia ist laut irgendeinem obskuren Ranking nicht nur die schönste Frau der Welt (immerhin vor der Schauspielerin Margot Robbie) – vor allem ist die 19-Jährige Israelin.

Wer es im Corona-Delirium schon wieder halb vergessen haben sollte: Israel überraschte zuletzt nicht nur mit Hochdruck-Impfen, sondern auch mit der erstaunlichen Annäherung zum Königreich Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im September wurden verschiedene Abkommen zwischen den drei Staaten unterzeichnet, in denen Frieden, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die »vollständige Normalisierung« vereinbart wurden. Davor war das Verhältnis also nicht ganz so normal, sondern von Gegnerschaft geprägt, was für den konkreten Fall wohl bedeutet: Bis vor Kurzem wäre die schöne Yael nicht einmal briefmarkengroß auf einer der hinteren Seiten des Magazins abgebildet worden, geschweige denn, wie jetzt, fotografiert von einem israelischen Fotografen, gekleidet in israelische Label. Auf Israels Modemagazin Laisha ist im Gegenzug das aus Kenia stammende, aber in Dubai ansässige Topmodel Chanel Ayan zu sehen, das jeweils andere Bild ist als Wendecover auf der Rückseite abgedruckt. Nicht weniger als »A Peace of History« nennen beide Magazine ihre Kooperation.

Während in den Siebzigern der Begriff der »Ping-Pong-Diplomatie« entstand, spricht man in der Mode gern von »Frock Diplomacy«, also »Kleider-Diplomatie«. Etwa wenn Madeleine Albright sich wechselnde Pins ansteckte, Kamala Harris in weißem Anzug an die Suffragetten erinnerte und die First Lady der USA demonstrativ ein amerikanische Label trägt. Die jetzige Casting-Diplomatie löste die Friedensverhandlungen zwar nicht aus – das wäre dann noch ein bisschen sensationeller gewesen – aber es bildet die Annäherung der beiden Staaten im wahrsten Sinne des Wortes ab. Womit die ewige Frage, ob Mode eigentlich politisch sein kann, gleich geklärt wäre: Wenn sie die aktuelle Welt widerspiegelt, ist sie zwangsläufig auch mal politisch.

Als Magazin muss man das natürlich erst mal wollen, so wie die polnische Vogue als Antwort auf die Verschärfung des Abtreibungsverbots im November das bekannte heimische Model Anja Rubik fast nackt, mit von rotem Satin gefesselten Händen und einem roten Blitz auf der Wange inszenierte, dem Symbol der Protestbewegung. Unter der Überschrift »Die Macht der Frauen« bezog der Chefredakteur Filip Niedenthal so deutlich Stellung wie man es hierzulande eher von Nachrichtenmagazinen gewohnt ist. Zum Vergleich: Die deutsche Elle titelt aktuell »Tut jetzt so gut: FARBE!«, die Madame fordert »Courage« und bietet »Looks für Optimismus«. Früher gab sich immerhin die mittlerweile doppelt eingestellte Allegra bisweilen engagiert, aber offensichtlich glaubt man hierzulande nicht, dass Modemagazine Trends und politisches Zeitgeschehen widerspiegeln können. Es bleibt eher bei »Frau im Spiegel«.

Letztlich trägt die Symbolik des Model-Exchange ja womöglich trotzdem ihren Teil zur »vollständigen Normalisierung« bei

Mag sein, dass die neue israelisch-arabische Fashion-Freundschaft hinter den Kulissen vor allem ein hübscher PR-Coup für die Branche ist. Mit eingefädelt und mitproduziert hat den diplomatischen Austausch offensichtlich die ukrainische Unternehmerin Anna la Germaine, Gründerin der Beratungsagentur Fashion Politique Ltd. Auf einer Schwesterseite von L’Officiel wird la Germaine mit den Worten zitiert, Mode und Politik seien »untrennbar miteinander verbunden« und schafften die Grundlage für florierende Geschäfte, die wiederum zu wachsendem Wohlstand auf beiden Seiten führten. Klar, wenn die Leserinnen in Dubai jetzt israelische Marken kennenlernen, vielleicht sogar irgendwann anziehen, und umgekehrt die Frauen in Tel Aviv sich mal für Dubais Modeszene interessieren, sind das gute neue Geschäftsbeziehungen. Aber letztlich trägt die Tatsache an sich, dass das in der Region nun überhaupt möglich ist, die Symbolik des Model-Exchange, ja womöglich trotzdem ihren Teil zur »vollständigen Normalisierung« bei.

Yael Shelbia ist übrigens nicht nur Model, sondern auch Schauspielerin und aktuell noch Soldatin bei der Israelischen Luftwaffe. In einem Interview sagte die 19-Jährige, sie sei unglaublich stolz, Teil dieses historischen Moments zu sein, »zusammen sind wir stärker«. Außerdem hoffe sie, dass man in der nahen Zukunft das Glück haben werde, den Friedensprozess im Nahen Osten weiter auszubauen.

Ein paar historische Coveroptionen gäbe es in der Gegend ja noch.

Typischer Instagram-Kommentar: »Ein Friedens-Engel«
Das sagt Donald Trump: »Alles mein mein mein Verdienst!«
Passender Song: »Imagine« (John Lennon)