»Liebe ist nichts, was einem passiert, sondern wozu man sich entscheidet«

Sexismus, Rassismus und brutales Ökonomiedenken: In Partnerschaften zeigen sich gesellschaftliche Missstände im Kleinen, sagt die Autorin Şeyda Kurt und plädiert dafür, Beziehungen gerechter zu machen. Hier verrät sie, wie das gelingen kann und warum sie aufgehört hat, sich für Wutausbrüche zu schämen.

Şeyda Kurts Buch Radikale Zärtlichkeit - Warum Liebe politisch ist erscheint am 20.4. im Verlag HarperCollins.

Foto: Elif Küçük

Sie haben ein Buch über die Liebe geschrieben, fragen sich aber, ob man diesen Begriff abschaffen müsste. Warum?
Şeyda Kurt: Es beginnt damit, dass Auseinandersetzung mit Liebe ja immer eher weiblichen Autoren zugeschrieben wurde, obwohl Goethe und Schiller auch alle über die Liebe geschrieben haben. Gewisse Perspektiven und Positionierungen werden, vor allem wenn sie aus der weißen, männlichen Perspektive kommen, als das Menschliche schlechthin begriffen, während es, wenn sich weibliche Autorinnen mit Liebe beschäftigen, schnell so ein bisschen klein und miefig ist. Hinzu kommt, dass der Begriff der Liebe unkonkret ist und von einer gewissen Formlosigkeit lebt, was ihn zum Beispiel für die Werbung wiederum interessant macht, wo man ihn dann flexibel einsetzen kann als etwas Mystisches, das plötzlich mit Schmuck oder Autos zu tun hat. Und auch an mir habe ich gemerkt, dass ich jahrelang gar nicht so genau wusste, was es eigentlich bedeutet, wenn ich »Ich liebe dich« sage.