Das Beste aus aller Welt

Axel Hacke fragt sich, ob man sein Leben mit Hilfe von Gegenständen beschreiben könnte. Und wundert sich, dass mal jemand versucht hat, Jackie Kennedys Mülleimer zu erwerben.

Das British Museum und ein Radiosender planen, die Ge-schichte der Menschheit anhand von 100 Gegenständen zu erzählen, einer 1,4 Millionen Jahre alten Axt aus Tansania etwa oder einer Augustus-Büste. Das wirft die Frage auf, ob sich auch mein Leben mit Hilfe von hundert Gegenständen beschreiben ließe, einem alten Kühlschrank zum Beispiel, dem 2 CV, den ich in den Siebzigerjahren fuhr, der Junghans-Uhr, die mein Vater jeden Abend beim Erklingen der Tagesschau-Fanfare stellte, und der alten IDEE-Kaffee-Dose, in der ich seit Jahren meine besten Einfälle verwahre.

Haben Sie übrigens in der Zeit das Interview mit dem Regisseur John Waters gelesen, in dem jener die Absicht äußerte, aus dem Nachlass Ingmar Bergmans dessen Mülleimer zu erwerben? Er stelle es sich großartig vor, sagte Waters, seine misslungenen Drehbuch-Versuche in diesen Eimer zu werfen. Nebenbei gesagt, habe er auch versucht, den Mülleimer von Jackie Kennedy zu erwerben, was daran gescheitert sei, dass Jackie anscheinend keinen Mülleimer besessen habe. Man habe das unschwer am Um-fang und der Schrotthaltigkeit ihres eigenen Nachlasses erkennen können; die Frau habe nichts weggeworfen.
Ich habe nachgesehen: Tatsächlich wurden vor Jahren aus Jackies Besitz sogar alte Salzstreuer versteigert. Bruno, mein Freund, sagt, in seinem eigenen Fall müsse unbedingt seine Salzstreuer-Sammlung aus Kinderzeiten ins Museum. Seine Eltern hätten Essen stets nur schwach gesalzen, weshalb er es für sich immer habe nachsalzen müssen. Er habe sich aus Protest dann einen eigenen Salzstreuer gekauft, schließlich eine ganze Sammlung. Kürzlich habe er sie beim Aufräumen wieder gefunden.

Ich sagte, er könne bei diesen Vorkenntnissen als Salzstreuer-Experte im British Museum anfangen und anhand eines modernen Salzstreuers die ganze Geschichte von »Mensch und Salz« erzählen, ein Riesenthema, das darin gipfele, dass Paola seit Neuestem Himalajasalz verwende, dies nur gut hundert Kilometer von Bad Reichenhall entfernt. Dieses Salz sei, sagte ich, ungefähr zwanzig Mal so teuer wie normales Salz, sodass man mit Fug und Recht behaupten könne, sogar sein Preis sei gesalzen.

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Sie nehme das Salz nur, sagt Paola, weil es so schön aussehe. Kleine rosa Bröckchen durchsetzen das Salz.

Aha, sagte ich, zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wird Salz wegen seines Aussehens gegessen!

Das mit der rosa Farbe des Salzes hat mich interessiert. Ich fand heraus, die Färbung gehe auf Eisenoxidverunreinigungen zurück. Auch las ich, Himalajasalz sei »bioenergetisch« und »schwingungsreich«, ja, von »Levitationsenergie« war die Rede. Ich erfuhr, Himalajasalz stamme aus entlegenen Salzstollen im Gebiet des Hunza-Tals im Karakorum. Es werde von fair entlohnten Einheimischen per Hand abgebaut. An anderer Stelle las ich jedoch, im Himalaja gebe es keinen einzigen Salzstollen, vielmehr stamme das Salz aus einer Mine in Pakistan, im Punjab, fern des Himalaja. Es sehe überdies dem Salz aus dem polnischen Bergwerk Wieliczka sehr ähnlich.

Anmerkung in eigener Sache: Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Kolumne seit eh und je in einer abgelegenen Andenregion durch die Angehörigen von 23 mir persönlich bekannten Familien per Hand Jahrtausende altem Boden abgerungen wird. In diesem Gebiet, in dem meine Texte seit Jahrhunderten täglich gelesen werden, sind Rückenschmerzen, Krebs, Kopfweh, Alkoholismus, Schweinegrippe sowie der Tod unbekannt. Die positiven Auswirkungen der Lektüre auf biophysikalische Balance und intrazelluläre Resonanz-Energien sind von mir persönlich durch tiefgreifend-feinstoffliche Untersuchungen bewiesen worden, weshalb dem Besten aus aller Welt bereits vor langer Zeit vom unabhängigen »Kolumnani-Institut für neutral-wissenschaftliche Textbewertung« das Prädikat »Besonders unsterblichkeitsfördernd« verliehen wurde.

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In Axel Hackes Mülleimer befanden sich, als er diese Kolumne schrieb: ein Paketabholzettel, eine Klorolle, diverse alte Manuskripte, die Verpackung einer
Osram-Halogenlampe sowie das Vorlesungsverzeichnis der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer.

Dirk Schmidt (Illustration)