Recht gute Freunde

Während in Russland die Armut grassiert, schwärmen die europäischen Rechten vom »Leader« Putin. Kein Wunder, meint Axel Hacke. Schließlich genießen sie seine Unterstützung.

Vor Kurzem las ich in der FAZ die Ergebnisse einer Studie der Statistikbehörde Rosstat über die Lebensbedingungen der Bevölkerung in Russland. Es hieß, acht von zehn Familien hätten Schwierigkeiten, die zum Lebensunterhalt notwendige Mindestmenge an Produkten zu kaufen. Ein gutes Drittel habe zum Beispiel nicht für jedes Familienmitglied je ein paar Winter- und Sommerschuhe. Seit 2014 seien die Realeinkünfte der Russen um elf Prozent gesunken.

Der russische Präsident heißt Wladimir Putin. Er bekleidet das Amt seit dem Jahr 2000, mit einer Unterbrechung von vier Jahren, in dieser Zeit war er Ministerpräsident. Man sollte meinen, seinen politischen Leistungen gegenüber sei eine gewisse Skepsis angebracht. Vom Abschuss eines Passagierflugzeuges durch eine Rakete der russischen Armee vor fünf Jahren, vom Giftanschlag in Salisbury, von den Folterungen in russischen Gefängnissen, auch von der Annexion der Krim haben wir ja noch gar nicht geredet.

Der aktuelle Star der rechtsradikalen Parteien in Europa ist vor den anstehenden Wahlen der italienische Innenminister Matteo Salvini. Er hat nach einer Begegnung mit Putin gesagt: »Niemand hat mich je so beeindruckt. Seine Art, seine feste Stimme, sein Händedruck: All das zeigte mir, dass er ein wirklicher Leader ist.« Es gibt Fotos von Salvini, auf denen er ein Putin-Shirt trägt. Aber in Abstufungen gilt diese Anhänglichkeit an Putin für praktisch alle rechtsradikalen Parteien in Europa, auch für die FPÖ in Österreich, die AfD in Deutschland, die Partei Le Pens in Frankreich. Sie alle genießen Putins Wohlwollen, manche seine finanzielle Unterstützung.

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Sogar der Gründer der Fünf-Sterne-Partei in Italien, Beppe Grillo, hat über Putin gesagt: »Das ist der starke Mann, den die Welt braucht.« Grillo ist allerdings kein Rechtsradikaler, nur ein Schreihals. Salvini hat er mal als »Rassisten, Dieb, Stinktier« bezeichnet. Dann hat seine Partei mit der Salvinis eine Regierung in Italien gebildet, unter deren Führung das Land ein wenig näher an die wirtschaftliche Katastrophe gerückt ist. Komisch, dass mich das nicht wundert.

Kürzlich hat Salvini den ungarischen Ministerpräsidenten Orbán besucht, auch den mag er sehr. Ungefähr zur selben Zeit sah ich einen kleinen Film des ZDF. Eine Reporterin war in Orbáns Heimatdorf gefahren. Dort war eine hübsche Bimmelbahn zu sehen, die mit zwei Millionen Euro EU-Geldern finanziert worden ist, aber im Grunde nirgendwohin fährt. Wie viele Leute diese Bahn so nutzten, fragte die Reporterin einen Angestellten. Diese Frage dürfe er nicht beantworten, sagte der Mann und lachte.

Im Dorf steht das Haus eines Schulfreundes von Orbán, der in fünf Jahren ein Imperium aus 300 Firmen schuf, das, so hieß es, zwei Milliarden Euro Subventionen der EU kassiert habe. Wie das möglich sei, fragte die Reporterin Orbán selbst. Er sagte, durch solche Fragen lasse er sich nicht provozieren. Ein anderer Freund Orbáns ist Chef eines Verbunds Hunderter Regionalzeitungen, die im Sinne der Regierung berichten. Auch dem wollte die Reporterin eine Frage stellen. Er sagte nichts.

Die Daten über die Lebensbedingungen der Russen wurden von Wladimir Putins Regierungssprecher Dmitrij Peskow unter anderem mit den Sätzen kommentiert: »Es fällt uns schwer, diese Daten zu verstehen.« Das wiederum verstehe ich. Peskow trug bei seiner Hochzeit vor knapp vier Jahren eine Armbanduhr, von der es nur ein paar Dutzend Stück gibt; die Preise liegen im Internet pro Uhr zwischen 600 000 und 800 000 Euro.

Ein zweites Paar Schuhe ist offensichtlich nicht sein Problem.

Es gibt also schon Leute, die von der Politik der Vorbilder der europäischen Rechtsradikalen profitieren. Es ist bloß nicht das Volk. Fürs Volk muss die feste Stimme reichen und der Händedruck. Die ganze Art halt. Und natürlich die Tatsache, dass es einen Leader hat.