Noch nie habe ich einen Reisebüromenschen sagen hören: Fahren Sie doch übers Wochenende nach Athen. Warum? Weil die Stadt sogar bei Reisebüromenschen einen miesen Ruf hat. Sie gehört zum Hinterhof der europäischen Hauptstädte. Wer an Athen denkt, denkt: Akropolis, Smog und schrecklich unsympathische Taxifahrer.
Vor dem Beifahrersitz meines Taxis bitten zwei Aufkleber ums Nichtrauchen und Anschnallen. Panos, der Taxifahrer, ist nicht angeschnallt und raucht. Ich lade ihn zum Kaffee ein. In seinem Lieblingscafé MELÌNA bestellen wir zwei Frappés.
Panos schaut hoch auf das Parthenon und sagt: »Seit letztem Jahr kann man vom Tempel des Olympischen Zeus am Südhang der Akropolis bis zur antiken Agorá und dem Keramikós-Friedhof gehen.« Das gesamte Stadtzentrum Athens sei eine Fußgängerzone. »Vor ein paar Jahren wäre das noch undenkbar gewesen!«
Ich laufe zum griechischen Parlament am Syntagma-Platz, einem Palast, den der erste griechische König Otto I. erbaute. Es ist heiß für einen Abend im Mai, knapp dreißig Grad. Schräg gegenüber dem Parlament noch ein klassizistischer Prachtbau: das HOTEL GRANDE BRETAGNE. Aristoteles Onassis war Stammgast in den sechziger Jahren, Gästebucheinträge von David Bowie, Francis Ford Coppola oder Giorgio Armani lassen ahnen, warum die Royal Suite im 5. Stock mehr als 1500 Quadratmeter groß ist und pro Nacht 15000 Euro kostet. Vom »Grande Bretagne« gehe ich die Fußgängerzone Ermou hinunter zum HOTEL TEMPI, meinem Übernachtungsquartier, von dem man einen prima Blick auf das Parthenon hat.
Abends umrunde ich in der Fußgängerzone Ermou die byzantinische Kirche KAPNIKARÈA und erreiche nach etwa 400 Metern auf der linken Seite einen Hinterhof. Zwei Musiker spielen Bouzouki und eine rothaarige Frau singt auf Griechisch, aber irgendwie passt die Melodie nicht. Dann begreife ich: Es ist der Frank-Sinatra-Song Fly Me To The Moon. Jazz auf Griechisch. Ich setze mich an einen der alten Holztische des KAFÈ ABINISSIA und bestelle einen Octopussalat in Olivenöl, dazu ein Glas weißen AMETHYSTOS. Der nächste Song ist ein griechischer Klassiker, die Rothaarige singt aber auf Spanisch. Eine Griechin steht auf und beginnt zu tanzen und plötzlich ergreift ihre Hand auch meine. Während ich in ihre blauen Augen schaue und gegen den einen oder anderen Stuhl stoße,denke ich auf einmal: Athen ist nicht hässlich, Athen ist auch nicht nett. Athen ist neu und aufregend! Auch wenn ich nur in einem Hinterhof tanze.
MELÌNA, Odós Lisiou, Plaka, tägl. 9 bis 3 Uhr, Tel. 0030/210/3246501, Metrostation: Syntagma; HOTEL GRANDE BRETAGNE, Platía Syntagmátos, Plaka, Metro: Syntagma, www.grandebretagne.gr, Tel. 0030/210/33300000, DZ ab 300 Euro; HOTEL TEMPI, Odós Aiolou, Plaka, Metro: Monastiraki, Tel. 0030/210/ 3213175, DZ ab 35 Euro, kein Frühstück, aber Wasserkocher und Kühlschrank stehen im Erdgeschoss bereit. Die Zimmer 1, 2, 6, 7, 11, 12 und 17 bieten den schönsten Blick auf das Parthenon; KAFÈ ABINISSÌA, Odós Abinissia, Monastiraki, tägl. 17 bis 2 Uhr, Tel. 0030/210/3217047, Metro: Monastiraki.