Gloria

Sie war das Mädchen mit den bunten, wilden, hochtoupierten Haaren; heute ist sie die Frau mit dem braven Bubenhaarschnitt. Die Zeiten haben sich geändert; Gloria womöglich nicht.

Sie war das Mädchen mit den bunten, wilden, hochtoupierten Haaren, sie war das Mädchen, das mit Andy Warhol feierte und mit Prince auf Tour war; heute ist sie die Frau mit dem braven Bubenhaarschnitt, die Frau, die einmal täglich in die Messe geht und vor dem Papst niederkniet. Die Zeiten haben sich geändert; Gloria womöglich nicht.

Die Fürstin also oder: DIE FÜRSTIN, es ist fast schon eine Rollenbezeichnung, mit der sie seit Jahren in der Öffentlichkeit auftritt – und wer vergessen hat, was passiert, wenn sie erscheint, der kann sich in diesen Tagen mal wieder wundern: Sie hat ein Buch veröffentlicht, sie gibt Interviews, sie hat schon so viel Unsinn geredet in ihrem Leben, dass sie natürlich auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dabei sein muss. Die Fürstin und der Kardinal, so war der Titel der Sendung, und wer an irgendeine Klerikal-Schmonzette dachte, der konnte sich beruhigt zurücklehnen: Sandra Maischberger hatte die beiden nur für eine Werbeveranstaltung eingeladen. Der Kardinal (im bürgerlichen Leben: Herr Meisner) und die Fürstin (die sich eigentlich nur Prinzessin nennen darf) haben zusammen also ein Buch geschrieben, in dem sie sich dreimal um ihre katholische Achse drehen und sich so sehr von der Welt entfernen, dass es einem schwindelig werden kann. Weil aber Glaube nicht Privatsache ist, wie der Kardinal sagte, müssen wir, die Demokraten, uns das also anhören, wir zahlen ja dafür.

Was dabei mal wieder klar wurde, falls es jemand vergessen haben sollte: Katholiken können ganz schön unangenehme Menschen sein. Eloquent, selbstgerecht, verzwirbelt, sophistisch, aber leider nicht jesuitisch. Und die Fürstin überholte dabei den Kardinal, der die Abtreibung und den Holocaust schon mal in einen Zusammenhang gesetzt hat, süßlich lächelnd auf dem Weg in den Himmel, in den es, schlechte Nachricht, einige von uns nicht schaffen werden, die Schwulen womöglich. »Treue« rief sie, das hilft gegen Aids. »Viel beten« rief sie, das hilft gegen Homosexualität. »Fortpflanzung ist gut« rief sie, als es um ihr Lieblingsthema Abtreibung ging, und ein wenig musste man schon am Geisteszustand der Fürstin zweifeln, die immer wieder »46 Millionen« hervorstieß, so viele Kinder werden weltweit jedes Jahr abgetrieben, sagt sie, »46 Millionen«.

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Da war sie also wieder, die Fürstin, die so crazy auf dem Kopf war, als sie jung war, und die jetzt, da sie etwas älter ist, so crazy im Kopf ist. Bei Sandra Maischberger, wo sonst gern wie im Herrenzimmer unserer Geronto-Republik ehemalige Bundesminister oder ehemalige Bundeskanzler oder ehemalige Großjournalisten zusammensitzen und darüber schwadronieren, wie sie es machen würden, wenn sie noch dürften oder noch könnten, zeigte sich die Fürstin in ihrer aktuellen Rolle: als Moral-Instanz.

Dass wir in einer unmoralischen Gesellschaft leben, das ist ja ein kulturpessimistischer Allgemeinplatz, der mittlerweile brav abgenickt wird. Und dagegen hilft nun, wie übrigens gegen Husten und Durchfall auch: der Glaube. Also laden wir uns eine Dompfeife wie die Fürstin ein, damit sie uns erklärt, wie das geht. Blöd nur, dass wir in einer Gesellschaft leben, »die den Massenmord subventioniert«, ja, genau, die Abtreibung. Blöd auch, dass die »Pille eine Form der Abtreibung« ist. Blöd auch, dass »Kondome nicht gegen Aids schützen«. Aber wer nach dem Glauben fragt, muss eben sehen, wie er dann auch mit der Antwort fertig wird.

Man könnte nun noch die Lieblingssätze der Fürstin vor sich hinsagen, von früher ein paar und von heute ein paar, zum Beispiel: »Die deutsche Frau ist sparsam.« Oder: »In der traditionellen afrikani-schen Familie ist es gar nicht vorgesehen, dass die Frau untreu ist.« Oder: »Gegen arrangierte Ehen hätte ich gar nichts, die sind nur leider nicht mehr in Mode.« Man könnte auch ein paar rhetorische Fragen stellen, zum Beispiel: Ob es jemanden interessiert, dass die Ehe der Fürstin vielleicht gar nicht so toll war, weil der Fürst viel trank, während die Fürstin um die Welt jettete? Oder ob es jemanden gibt, der für sie beten würde, wenn sie auf einmal Frauen lieben würde? Nein? Ist ja alles Privatsache. Glaube übrigens auch.