Es mag auf den ersten Blick überraschend sein, aber das Erfolgs-geheimnis von Peter Sloterdijk ist seine gute Laune. Da sitzt er schwer schnaufend im Fernsehstudio, mit seinen traurigen kleinen Augen, und erinnert ein wenig an den singenden See-Elefanten, der in der Kinderserie Urmel aus dem Eis immer den Himmel anheult. Oder er schreibt genauso schwer schnaufende Bücher, über Zyniker und Kyniker und Zorn und Schäume, und das, was er sagt, wäre im Grunde auch einfach zu sagen, aber nur weil es kompliziert klingt, bedeutet das noch lange nicht, dass es auch falsch ist.
»Mensch sein heißt in einem operativ gekrümmten Raum existieren«, schreibt er in seinem gerade erschienenen neuen Buch Du musst dein Leben ändern, mit kaum mehr als 700 Seiten ein so handlicher wie raffinierter Ratgeber für metaphysisch entmietete Krisenbewohner – und wie immer bei ihm fühlt man sich nach der Lektüre, als sei man im Cabrio durch die Waschanlage gefahren. Wenn die Welt verrückt ist, dann ist Sloterdijk der Vordenker der neuen Verworrenheit. Und da fängt das mit der guten Laune an. Sloterdijk ist in seinem Schreiben ein echter Performer, fast ein Entertainer, der weiß, dass es nicht schadet, wenn sich Worte mit einem gewissen Witz aneinander reihen. Er bleibt dabei immer noch ein sehr deutscher Gelehrter, der sich besonders gern an Tief- und Dunkeldenkern wie Nietzsche oder Heidegger orientiert, die für ihn natürlich eher fröhliche Hoch- und Helldenker sind, so einfach ist Philosophie – schnell ein paar neue Begriffe erdacht, schon dreht sich der ganze Parcours, alles schaut anders aus und ist doch gleich: In seinem aktuellen Buch gehe es ihm, schreibt er, nicht um die Frage nach der Religion, sondern »um die Einsicht in die immunitäre Verfassung des Menschenwesens«.
Bei all dem begrifflichen Nebeltheater aber, und das macht seinen Reiz aus, ist Peter Sloterdijk ganz im antiken Sinn ein Redner, der die Öffentlichkeit sucht, die ihn ja erst zu dem macht, der er ist – ein Philosoph, das lehrt sein Beispiel, ist jemand, der gehört wird, und nicht unbedingt jemand, der verstanden wird. Sloterdijks Genie ist es dabei, dass er die Rolle des Medienphilosophen so gut spielt wie die des Meisterdenkers.
Am Ende ist kaum noch ein Unterschied erkennbar, was bisweilen dazu führt, dass er wie eine Kassandra mit Kassengestell erscheint, die zu jedem Thema die passende These liefert. Manchmal wirkt das, was er dann sagt oder schreibt, wie ein Echo ohne Knall. Manchmal ist es allein der Knall des Echos, der in Erinnerung bleibt.
Sloterdijk habe mit Eugenik und Nazi-Worten geflirtet, hieß es 1999 nach seiner Rede »Regeln für den Menschenpark«, einer kulturkritischen Abrechnung mit dem Konzept des Humanismus. Richtig ist auf jeden Fall: Sloterdijk ist ein stets flirtender, frivoler Philosoph, der nie links war oder rechts im eigentlichen Verständnis – auch dafür ist die Philosophie gut, man kann sich hinter zu viel Sinn bequem verstecken.
Sloterdijks prägendes Bildungserlebnis fand dabei nicht auf einer deutschen Universität statt, sondern im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh im indischen Poona, wo Sloterdijk sich zwischen 1978 und 1980 aufhielt. Der Bhagwan brachte Sex, Sokrates und Sufismus zusammen und starb im Besitz von 93 Rolls-Royce. »Man lebt unter einem helleren Himmel«, sagte Sloterdijk noch fast 30 Jahre später verzückt über das Sanjassin-Abenteuer.
Mag sein, dass es dieser heitere Himmel ist, der ihm immer noch die gute Laune schickt, die seinen dicken Büchern trotzt – Bücher, die im Übrigen auch gelesen werden können als eine abendländische Meditationsvariante. Man muss sich nur lange genug in die klugen, kuriosen Textwelten versenken, um erst den Boden unter den Füßen zu verlieren und dann ernüchtert oder erweckt wieder aufzutauchen. Die Botschaft Sloterdijks ist dabei ganz im Sinne des Bhagwans eine der Liebe: Ob er so klug ist oder wir so dumm, das ist schwer zu sagen. Also treffen wir uns lieber in der Mitte, was für alle versöhnlich ist.
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