Vorsicht, Gegenbewegung!

Wie kommt es, dass überwiegend Frauen auf deutschen Radwegen in die falsche Richtung fahren?

Von wegen Radl-Rambo: Auch beim Verletzen von Verkehrsregeln machen Frauen eine deutlich bessere Figur als Männer.

Der erste Versuch, das Thema in der Redaktion anzusprechen, hat Hohn und Verachtung hervorgerufen. Das Thema: Warum sind rund 80 Prozent aller Geisterfahrer auf deutschen Radwegen Frauen? Die Redaktion beschied, man habe wohl nicht mehr alle Latten am Zaun (so reden Redaktionen manchmal), man habe ganz einfach die Nerven verloren, man könne sich jetzt bitte schön wieder zusammenreißen. Nicht ein Funke Wahrheit stecke in dieser Behauptung. Als Autor glaubt man seiner Redaktion natürlich alles, man ist zerknirscht und versenkt das Thema im Schredder. Und dann führt man Buch, wochenlang. Man fährt Rad, klassifiziert Geisterfahrer und macht sich Notizen. Und wenn man nach zwei, drei Monaten seine Aufzeichnungen studiert, stellt man fest: Es sind sogar mehr als 80 Prozent. Im Erhebungszeitraum (Sommer 2011) stellten Frauen 82,2 Prozent der Geisterfahrer auf Münchner Radwegen.

Der erste Unwille der Redaktion rührte vielleicht daher, dass kein vernünftiger Mann dieses Thema zur Sprache bringen würde, weil es ihm nichts als Ärger einbringt. Im schlimmsten Fall den Totschlag-Vorwurf, ein verdammter Chauvinist zu sein, ein Primat, an dem die Zivilisation spurlos vorübergegangen ist. Konfrontiert man Frauen (nach den einleitenden Worten, dass man keineswegs ein verdammter Chauvinist usw.) mit der Feststellung, sagen manche nachgerade erfreut: »Na und?« Die meisten Frauen leugnen allerdings, dass in der Behauptung Wahrheit stecke.

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Es ist ja alles andere als anbiedernd oder herablassend (sondern wahr), wenn man sagt, dass Frauen grundsätzlich rücksichtsvoller, verständnisvoller und klüger sind. Doch auf den im Straßenverkehr höflich vorgetragenen Hinweis, der Radweg für die Gegenrichtung befinde sich auf der anderen Straßenseite, reagieren die meisten Frauen mit Wut, bisweilen mit Spott (»Trag halt’n Helm, Fuzzi!«).

Selbstverständlich ist es gefährlich, den Radweg gegen die Fahrtrichtung zu befahren, es ist bei Zusammenstößen schon zu schwersten Unfällen gekommen. Dabei geht der Einwand, zu diesen Unfällen komme es nur, weil zwei Männer wie Büffel in Wut aufeinander zurasen, ins Leere. Es sind schon Frauen mit Frauen zusammengestoßen. Der Spott, der dem Mann entgegenschlägt, der auf die Gegenfahrbahn hinweist, speist sich vielleicht daraus, dass dieser Hinweis so kleinlich daherkommt. Denn was dem Stadtmann als kaum zu beherrschendes Risiko in der fest gefügten Ordnung des Straßenverkehrs erscheint, ist der Frau nur ein Weg unter vielen.

Foto: Christian Lesemann