Die sogenannten Sexskandale dieses Frühjahrs – Strauss-Kahn, Schwarzenegger, die idiotischen Twitter-Fotos des US-Abgeordneten Anthony Weiner – haben so viele Fragen aufgeworfen, dass sich diese kleine Kolumne damit bis Ende des Jahres füllen ließe, aber sie haben auch einige Erkenntnisse gebracht. Zum Beispiel die Tatsache, wie wahnsinnig gern Männer – nicht nur Weiner, sondern auch User von Dating-Websites und Internetdiensten wie Chatroulette – dieser Tage Fotos ihrer erigierten Penisse als Zeichen der Zuneigung verschicken. Quasi statt Blumen. Nur: Warum tun sie das?
Penis-Fotos bringen Frauen entweder zum Stöhnen (nicht auf die gute Weise) oder zum Lachen, aber kaum dazu, sie für den Absender zu entflammen. Handelt es sich hier um ein weiteren Fall in der langen Geschichte der Missverständnisse zwischen Männern und Frauen? Die Sexualwissenschaft ist mit Erklärungsversuchen schnell bei der Hand: die moderne Neigung zur Autoerotik, Narzissten ohne Impulskontrolle, die logische Fortsetzung der Facebook- und Twitter-Selbstentblößungen. In der Tat war es noch nie so leicht, seine Genitalien einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen: Früher musste man sich noch einen Trenchcoat anziehen und nachts hinter einer Hausecke herumlungern, heute genügt ein Smartphone, und zack! Die Klügeren achten auf einen günstigen Winkel, möglichst von unten. Das Genital genauso archetypisch fotografiert, wie man es früher mit 13 auf Klotüren gemalt hat.
Keine Frage, hier wird verzweifelt mit dem Zaunpfahl um Aufmerksamkeit gewinkt – oder halt nur mit einem Streichholz. Vielleicht denken Männer aber auch einfach nur praktisch: Ein Foto ist schnell gemacht und noch schneller in den großen Darkroom Internet gestellt. Selbst wenn 999 999 Frauen genervt oder angewidert sind – wenn nur eine Interesse hat, hat sich die Sache schon gelohnt. Es ist das fleischgewordene Spam-Prinzip.
Das wirklich Spannende ist natürlich, wie die Frauen mit diesem pubertären Pimmelzeigen umgehen. Immerhin hat keine derjenigen, die Anthony Weiner mit Fotos beglückt hat, den Kontakt empört abgebrochen. Man nimmt so was schulterzuckend in Kauf. Es ist der Preis, den man zahlt, um das männliche Interesse aufrechtzuerhalten, wohl wissend, dass es sich bei ungenügender Würdigung sofort einer anderen zuwenden würde. Noch trauriger ist daran höchstens, dass es Männern bei solchen Fotos nicht mal um Intimität geht, sondern um das blanke Gegenteil: shock and awe. Klar wollen sie eine Reaktion erzwingen, aber bitte bloß nicht in ihrer unmittelbaren Nähe. Lieber sitzen sie zu Hunderttausenden einsam in ihren Büros und spielen an sich herum. Man möchte weinen. Oder sie in den Arm nehmen.