»Ich war komplett mit Kot und Dreck beschmiert«

Elena Wiegand ist seit 19 Jahren Zollbeamtin am Frankfurter Flughafen. Der Fall ihres Lebens: ein Paar, das aus dem Urlaub ein kleines Äffchen mitbrachte.

Ob sich das Äffchen freiwillig auf diese Odysee eingelassen hätte?

Illustration: Lina Müller

SZ-Magazin: Wonach entscheiden Sie, wessen Gepäck Sie kontrollieren?
Elena Wiegand: Die Entscheidung fällen wir mit einer gesunden Mischung aus Erfahrung, der persönlichen Einschätzung und dem Bauchgefühl. Außerdem haben wir bei gewissen Flügen ein besonderes Augenmerk und achten auf das Gepäck. Es ist besonders auffällig, wenn etwa eine Person mit besonders vielen Koffern reist.

Um was für Reisende handelte es sich bei dem Fall Ihres Lebens?
Es ging um ein deutsches Ehepaar mittleren Alters, das aus Mombasa in Kenia gekommen war. Mein Kollege hatte eines ihrer Handgepäckstücke geöffnet und ein lebendes Äffchen entdeckt. Er machte den Koffer umgehend zu und informierte mich, da ich an diesem Tag Schichtleiterin war.

Was passierte dann?
Nachdem auch ich das Äffchen gesehen hatte und meinen Augen kaum trauen konnte, haben wir den Koffer geschlossen und sind damit und den Reisenden in unser Abfertigungsbüro gegangen. Damals war es mein erster Affe, aber bis heute habe ich mindestens zwei weitere Äffchen abgefertigt. Auch Schildkröten und Vögel in Socken. Wir haben einmal einen Mann erwischt, der einen Welpen im Hosenbund geschmuggelt hat.

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Was haben Sie getan, nachdem Sie mit dem Paar in Ihrem Büro angekommen waren?
Zunächst haben wir beide gefragt, weshalb sie einen Affen dabei hatten und um was für ein Tier es sich handelte. Da sie den Affen auf der Straße erworben hatten, um ihn als Haustier zu halten, wussten sie das nicht. Also öffneten wir das Gepäckstück erneut, um das Tier genauer zu sehen. Wir fanden heraus, dass es sich um eine grüne Meerkatze handelte, einem kleinen Äffchen, das unter Artenschutz steht. Dementsprechend mussten viele Leute informiert werden: Die Grenzveterinäre am Flughafen, die Security, die Feuerwehr, der Notarzt.

Wieso die Feuerwehr?
Sie hilft beim Einfangen von Tieren, falls mal eines entwischt. Manchmal werden Tiere auch nicht absichtlich mitgebracht, sondern verirren sich in Gepäckstücken und reisen so unbemerkt mit. Es kommt durchaus vor, dass Spinnen oder Schlangen mitreisen oder mal ein kleiner Frosch aus dem Koffer hüpft.

»In der Flughafenklinik sagte man mir, dass meine Kleidung verbrannt werden müsste, da Affen gefährliche Seuchen übertragen können«

Wie ging es weiter?
Mittlerweile hatte sich der Affe irgendwie befreit und hopste im Büro herum. Meine Kollegin erschrak sich so sehr, dass sie aus dem Zimmer rannte. Da ich noch Handschuhe anhatte, fing ich das Tier, während mein Kollege es mit Apfelstücken anlockte. Wir packten den Affen in einen Karton und machten Luftlöcher rein. Dann kamen zwei Kollegen von der Tierstation in Ganzkörperanzügen mit Masken und nahmen den Affen mit. Auch ein Notarzt war mittlerweile eingetroffen und fragte, ob jemand mit Körperflüssigkeiten des Affen in Kontakt gekommen war. Da ich von dem Versuch, den Affen einzufangen, komplett mit Kot und Dreck verschmiert war, musste ich mit in die Flughafenklinik. Dort sagte man mir, dass meine Kleidung verbrannt werden müsste, da Affen gefährliche Seuchen übertragen können. Nach der Dusche bekam ich einen weißen Papieranzug, der aussah wie von der Spurensuche.

Was hat eigentlich das Paar zu alledem gesagt?
Die beiden sackten inzwischen immer tiefer in sich zusammen. Mittlerweile waren Teile der Gepäckausgabe des Frankfurter Flughafens gesperrt worden. Zwischenzeitlich wurde sogar überlegt, das Flugzeug, das mittlerweile weitergeflogen war, zurückzuholen, da sich das Tier ja im Passagierraum aufgehalten hatte. Das hätte immense Kosten bedeutet. Dem Pärchen wurde allmählich klar, was es angerichtet hatte.

Haben die beiden Ihnen leidgetan?
Nein, nicht wirklich. Bei mir herrschte das Gefühl vor, dem armen Äffchen geholfen zu haben.

Welche Konsequenzen kamen auf die beiden zu?
Die Strafen für das Schmuggeln lebender Tiere haben Abstufungen. Sie hängen vom Schutzstatus des Tieres ab und variieren je nach Fall zwischen einer einfachen Geldbuße bis hin zu Haftstrafe auf Bewährung – etwa bei bandenmäßigem Schmuggel. Auch in diesem Fall wurde ein Strafverfahren für die Einfuhr eines lebenden artengeschützten Tieres eingeleitet.

Wissen sie, was mit dem Affen passiert ist?
Soweit ich weiß, befindet er sich mittlerweile in einem norddeutschen Zoo.